Diese Woche habe ich zum ersten Mal Näheres über John le Carré erfahren. Das (nämlich dass es das erste Mal war) liegt daran, dass ich eine gewisse Art von Literatur geringschätze und deshalb aus Prinzip nicht beachte: Bestseller. Eine allzu hohe Verkaufszahl ist selten ein Zeichen von Qualität, finde ich (und vermutlich nicht nur ich). John le Carré war für mich immer sowas wie Konsalik oder Utta Danella, wohl weil die Buchcover sich (zumindest in den Achtzigern) ähnelten. Vielleicht hatten sie auch eine Zeit lang denselben Verlag. Ich sah jedenfalls die Titel und ignorierte ganz bewusst und demonstrativ den Inhalt dahinter. Das bereue ich bis heute nicht, aber vor ein paar Tagen las ich ein Interview mit dem Herrn, dessen Pseudonym mir schon immer ein Graus war (welches ich, ohne eins seiner Bücher zu lesen, als solches erkannte). Was soll das überhaupt, und was soll es heißen, le Carré? Johann das Karo? Johannes der Gekreuzte, der Karierte? Und soll man es nun französisch aussprechen oder englisch mit französischem Akzent oder umgekehrt? Sein wirklicher Name steht auch in dem Interview, und der ist viel schöner: Cornwell. Fast so wie die Landschaft, in der er wohnt, Cornwall. Deshalb habe ich das Interview überhaupt nur gelesen, weil da so schöne Fotos von Cornwall dabei waren, und Herr Cornwell saß mittendrin in Cornwall.
Und durch dieses lehrreiche Interview erfuhr ich viele Dinge auf einmal: Dass Herr Karo Spionageromane schreibt (ja, ich bin gar nicht so weltgewandt, wie ich immer wirke), dass die vielleicht doch einen Tick anspruchsvoller sind als Konsalik und Utta Danella (trotzdem kommt mir kein le Carré ins Bücherregal), und dass dieser Herr - das fand ich am spannendsten - selber mal Geheimagent war. Und zwar von der alten Schule, also Sean Connery, nicht Daniel Craig (dass Letzterer überhaupt Brite sein soll, finde ich schon unglaubwürdig). Wow, dachte ich, Geheimagent! MI-6-Mitglied! Alter, krass! Und er erzählt in dem Interview, dass er es wiederum krass findet, wie der britische Geheimdienst heutzutage sein Agentenfrischfleisch rekrutiert: über Zeitungsannoncen. Das hätte es zu meiner Zeit nicht gegeben, erzählt Herr Cornwell - er ist jetzt Ende 70 - , da lief das alles im Privaten, über Talentsucher. Und dass die Spione immer die besten Unterhalter waren, woran man sie auf Partys erkennen konnte. Immer witzig, spritzig und nie um eine Antwort verlegen, so musste ein Spion damals sein. Wie sollte man auch sonst würdig sein, im Dienste ihrer Majestät zu stehen?
Ich dachte ja immer, als Geheimagent muss man vor allem sportlich und furchtlos sein, immer spontan gute Einfälle zur Rettung des eigenen Lebens haben und gut mit Schusswaffen umgehen können. Traf alles nicht auf mich zu und ich bewarb mich deshalb nie um einen Agentenposten. Aber jetzt, wo ich Herrn le Carré und sein Agentenleben kennen gelernt habe, tun sich mir ganz neue berufliche Perspektiven auf: Zunächst bräuchte ich nichts zu tun, als mich möglichst häufig auf feinen englischen Partys herumzutreiben. Dort würde ich wie immer ein bisschen die Rampensau raushängen lassen, mit jeder Menge Witz und Charme die Leute unterhalten und so den Talentscout vom Secret Service auf mich aufmerksam machen. Der würde mir dann irgendwann unauffällig eine Nummer zustecken, woraufhin wir uns einige Tage später in einem unauffälligen Londoner Straßencafé träfen. Nach ein wenig Vorgeplänkel würde der smarte, mysteriöse Herr sich ein wenig vorbeugen, mir fest in die Augen sehen und mich fragen, ob ich mir eine Tätigkeit in der Grauzone des bürgerlichen Lebens, aber im Dienste ihrer Majestät und zum Wohle des Commonwealth vorstellen könnte. Ich würde einen Moment lang den Atem anhalten und dann mit dramatischem Augenaufschlag hauchen: "Sir, well... Sir, I feel terribly flattered, but... couldn't that be dangerous?" Ich würde nämlich auf keinen Fall jemals jobbedingt um mein Leben bangen wollen. "Neeee, Frau Nölle, alles no problem, für Sie haben wir natürlich was ganz Maßgeschneidertes, spannend und doch völlig ungefährlich!"
So kämen wir ins Geschäft. "Wo wollense denn gerne hin", würde er mich noch fragen, und ich würde mir erst mal Italien aussuchen, zum Einstieg. Dort würde ich dann in einer schönen Villa mit Meerblick wohnen, den ganzen Tag Leute beobachten und alles Beobachtete nach London hochfaxen. Ansonsten würde ich viel Wein trinken und Bruschetta essen sowie ordentlich dolce vita machen. Und häufig schwimmen gehen, dabei kann man nämlich auch gut Leute beobachten. Und schreiben könnte ich auch nebenbei, vielleicht schon mal einen Teil meiner Memoiren, dann habe ich später nicht so viel zu tun. Oder ich frage Mister Cornwell, ob er Lust auf ein Gemeinschaftsprojekt hat; so käme auch die weibliche Sicht mal ins Spionagebuchbusiness. Auch mit der Queen hätte ich hin und wieder Briefkontakt, sie ist schließlich persönlich daran interessiert, was an der italienischen Front so läuft.
Ja, so schön schillert sie, meine Seifenblase. Und doch bin ich ein richtiger Depp. Denn der karierte Herr Cornwell war heute zu Gast im Schauspielhaus und hat seinen neuen Roman vorgestellt und außerdem über seine Jahre beim Secret Service erzählt. Und ich hab ihn verpasst! Manno. Da hätten wir so gut mal in Ruhe quatschen können. Ich hätte ihm sagen können, Sir John, don't you worry, Ihre Nachfolge ist gesichert. Und auch in der Spionage sind nun endlich die Frauen am Zug. Aber nun ist es nach Mitternacht, morgen fahre ich nach Mali und Sir John ist bestimmt schon wieder auf seinem Landsitz in Cornwall. Wenn ich Spionin bin, muss ich unbedingt meine Termine besser koordinieren. Und dann wird mal an einem knackigen Bond-Boy gearbeitet. Denn 0079 wird eine Frau sein.
Donnerstag, 6. November 2008
Mittwoch, 5. November 2008
Hamburg kann hören kommen
Verehrtes hamburger Publikum, es ist so weit: Fraunoelle liest Septentryo in Hamburg. Das darf man nicht verpassen: Am Samstag, dem 13.12.08 um 20 Uhr gibt es endlich auch im Norden die Veranstaltung der besonderen Art, eine öffentliche Bloglesung mit vielen unterhaltsamen Extras. Kommen Sie ins schöne Altona zum Ottenser Marktplatz 11 und steigen Sie die Stiegen zum ersten Stock hinauf. Und bringen Sie Ihre Freunde mit!
Des weiteren nicht wundern, wenn's bis dahin kaum Einträge gibt, bin demnächst im malischen Sahel.
Des weiteren nicht wundern, wenn's bis dahin kaum Einträge gibt, bin demnächst im malischen Sahel.
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