Freunde der Kniefeige werden diesen Text mögen, ebenso Freunde des Dixi/Toitoi, vulgo der noelleschen Fäkalsprache (man regte mich bei der letzten Lesung dazu an, doch mehr Fäkaltexte zu schreiben - das habt ihr nun davon). Die im Folgenden wiedergegebenen Dialoge und Redebeispiele sind sämtlich dem Spanischen entnommen; das macht aber nichts, sie funktionieren auch in der deutschen Übersetzung.
Es begab sich eines dieser schönen Tage, dass ich mit einem Spanier und einer Costaricanerin am Tisch saß und wir uns über delikate Süßigkeiten unserer drei Länder austauschten. Eine Empfehlung meinerseits hatte ich gleich zur Hand, man nennt dieses Erzeugnis wohl gemeinhin Fruchtriegel: Eine fruchtige Masse mit Stückchen zwischen zwei Blatt Esspapier. Ich mag davon die Geschmacksrichtung "Mandel" sehr gern und reichte sie zur Kostprobe herum. Bei meinen hispanophonen Gesprächspartnern löste das Leckerli keine großen Begeisterungsstürme aus, Frau Costa Rica stellte mehr analytisch fest: "Aha, das ist doch einfach Hostie mit Marzipan, oder?" Ich konnte nicht anders als brüllend zu lachen, zunächst einmal ob der Tatsache, dass "Hostie" doch einen sehr schmeichelhaften Euphemismus darstellt für schnödes Esspapier, das ja bestenfalls eine Oblate ist. Zugegeben verstärkte vielleicht auch meine mentale Distanz zum Katholizismus meine Belustigung. Aber dann gab es ja noch den anderen Teil des Witzes, der sich jedem Spanier sowie Kennern der Umgangssprache speziell auf der iberischen Halbinsel mühelos erschließt (natürlich ist dies auch, fuchsige Fachverwandte werden es schon gemerkt haben, ein Fest für Regionallinguisten): Der ach so katholische Spanier im Allgemeinen tut nämlich kaum etwas anderes, als mehrmals am Tag, je nach Sprecher auch mehrmals in der Stunde, verbal auf die Hostie zu scheißen. Und die Hostie ist ihm auch alleingestellt einfach das liebste Synonym für Scheiße. Ja, so ist es wirklich: "hostia!", sagt der Spanier, wenn ihm etwas missfällt oder auch nur auffällt, Scheiße ist ja nicht immer gleich negativ konnotiert (man stelle sich etwa den deutschen Satz "Scheiße, ist das geil" aus dem Mund eines Jugenlichen vor - funktioniert). Und wenn ihm etwas ganz besonders missfällt oder auffällt, dann tut er es: "Me cago en la hostia!" - er scheißt auf die Hostie. Und man kann sich unschwer vorstellen, dass es ziemlich viele Situationen des Miss- oder Auffallens gibt im Laufe eines Tages: Schon wieder den Bus verpasst, ich scheiß' auf die Hostie. Bohr, hat die lange Beine, ich scheiß' auf die Hostie. Ich scheiß' auf die Hostie, warum ist die Schlange hier eigentlich immer so lang? Hostie, sechzehn Euro?!
Warum die iberischen Katholiken ständig das heilig' Brot beschmutzen, ist mir noch nicht aufgegangen. Eigentlich geben sie doch bei jeder Gelegenheit vor, Christus und seiner Familie wohlgesonnen zu sein, warum also die ständige Verunreinigung Seines Leibes? Ein spätes kollektives Ausleben der analen Phase vielleicht, in einem Land, in dem diese Phase doch zumindest unter Franco mit Sicherheit unterdrückt wurde? Oder einfach der Versuch, das in allen Sprachen unschöne Wort "Scheiße" etwas blumiger zu formulieren? Heiligkeit statt Ausscheidung, auch wenn's in der Bedeutung ganz unchristlich bleibt? Vielleicht sollte das demnächst mal Gegenstand eines wissenschaftlichen Aufsatzes sein - ich kann hier nur Fragen stellen.
Das Fazit der oben beschriebenen trinationalen Situation war jedenfalls folgendes: Frau Costa Rica hatte eine neue iberische Spracheigenheit kennen gelernt, die sie sehr belustigte, zögert aber noch, diese zu Hause auszuprobieren. Herr Spanien nickte bedächtig und wird auch in Zukunft fleißig auf die Hostie scheißen, ohne jedoch zu wissen warum. Und Frau Deutschland hatte bei dem vertiefenden Gedanken daran, dass sie "Hostie" eigentlich nur mit Scheiße assoziiert und überhaupt nicht mit Marzipan (schließlich war ja nicht die Rede von einer Oblate), plötzlich nicht mehr so viel Lust auf Fruchtriegel mit Mandelgeschmack.
Dienstag, 22. Juni 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen