Ich gehöre nicht zu den Menschen, die ein grundsätzliches Problem menschlicher Art mit Polizisten haben. Sie sind für mich, ebenso wie, sagen wir, Lehrer, einfach Teil unserer Gesellschaft und ich habe rein gar nichts gegen sie, was ich nicht auch gegen jeden anderen Menschen eines beliebigen Berufsstandes haben könnte. Vielleicht komme ich auch deshalb nie in Polizeikontrollen. Ich fahre nun seit zwölf Jahren Auto, nicht immer absolut StVO-konform, aber ich bin noch nie von der Polizei angehalten worden. Soviel zu meiner Unvoreingenommenheit bezüglich des jetzt folgenden Themas.
Bevor ich aber unsere kubanischen Erlebnisse mit den dortigen Gesetzeshütern referiere, muss ich Ihre Geduld ein klein wenig strapazieren und das Thema vom anderen Ende der Gesellschaft her aufrollen: Zuerst nämlich trafen wir auf Kuba die Gesetzesbrecher.
In einer langen und beschwerlichen Wanderung hatten wir von Santiago de Cuba aus eine ehemalige Befestigungsanlage aufgesucht, el Morro. Der Weg war sehr viel weiter gewesen als angenommen und die Temperaturen konnten zentraleuropäischen Organismen ganz schön zu Kopf steigen, kurz: die Umstände luden nicht gerade dazu ein, auch den Rückweg zu Fuß zu bestreiten. Nun waren wir, endlich an einem kleinen Strand mit dem verheißungsvollen Namen La Estrella angekommen, dort von einer ganzen Horde kubanischer Halbstarker, von denen einige wirklich nicht vollkommen koscher wirkten, derart bedrängt worden, dass uns die Lust am Strandaufenthalt vorerst vergangen war; zudem war es bereits früher Abend, der Weg nach Santiago weit und die Art unseres Zurückkommens noch vollkommen ungeklärt. Der Bus, auf den zu warten wir uns hoffnungsvoll am Straßenrand postiert hatten, hatte seine nächste Durchfahrt offenbar für den St. Nimmerleinstag vorgesehen. Doch, wie es so ist auf Kuba: Ein Transportangebot für die beiden netten Touristinnen mit dem vermeintlich prall klingenden Geldbeutel ließ nicht lange auf sich warten. Aus einer nicht sonderlich einladenden Gaststätte am Strandesrand, deren Verköstigung wir zuvor dankend abgelehnt hatten, kam ein offensichtlich stark angetrunkener junger Herr auf uns zu und fragte, ob er uns nicht in die Stadt fahren solle mit seinem Wagen, der dort stand, er verlange lediglich zehn Dollar. "Prinzipiell gern, für die Hälfte des Preises und wenn du nicht der Fahrer bist", entgegnete ich mit träge erwachender Handelslust und einigem Argwohn. Letzterer war durchaus berechtigt, denn, so wurde uns bald klar, wir hatten es hier erstmals mit einem echten kubanischen jinetero, einem Unterhändler oder Schlepper, zu tun. Er grinste verächtlich und zog ab, um das Angebot seinem Patron zu unterbreiten. Zurück kam er mit einer Gegenofferte von acht Dollar. Aber so leicht gaben wir nicht nach; "sechs Dollar", gab ich eiskalt zurück, "und wir machen uns jetzt schon mal zu Fuß auf den Weg." Diesmal kam der Läufer, nicht ohne sich vorher kraft alkoholbedingter Gehschwierigkeiten fast ein Bein in einem Erdloch gebrochen zu haben, eilig zurück und brachte - Sakrament! - seinen Patron, seinen Herrn und Verwalter mit. Und augenblicklich fühlte ich mich ganz wie in einem Verbrecherfilm: Der Kerl war der Prototyp des Zuhälters, der andere für sich arbeiten lässt, auf diese Weise sein Geld vermehrt und dabei selbst nichts anderes tut als von Tag zu Tag fetter zu werden und seinen Lackaffenbart zu trimmen. An jedem Finger steckte ein goldener Ring, auch der Stiernacken war goldbehangen, die aus den Shorts ragenden Beine konnten den beleibten Körper kaum tragen, aus dem feisten Gesicht starrten zwei listige, emotionslose Augen. Dunnerlittchen, dachte ich, dir und deinen Schergen möchte ich nicht des Nachts allein und wehrlos begegnen. Aber ich nahm mich zusammen und dachte, ruhig, nur Herr der Lage bleiben, nur nicht einschüchtern lassen. Der Zuhälter musterte uns, nickte herablassend von meiner Begleiterin Almut und mir zum Auto und sagte nur: "Tennbagh." Ob seiner Unverfrorenheit bei fehlender Bildung und der Geringschätzigkeit, mit der er uns aus seinen Schlitzaugen anstierte, gefror nun mein Gesicht zum Pokerface und ich dachte, du mieser Zuhälterfettwanst, dir werd ich's zeigen. Lern du erst mal anständig ten bucks sagen, bevor du zwei Frauen, die eindeutig schlauer sind als du, unverschämte zehn CUC für die Strecke nach Santiago abknöpfen willst, und glaub ja nicht, dass ich Angst vor deinem gemeinen Babyface habe. All diese Gedanken legte ich in den Blick, mit dem ich ihm unverwandt in die Augen sah, während ich in meinem feinsten Iberospanisch sagte: "Wir waren bei sechs. Sechs und keinen Centavo mehr, sonst gehen wir halt zu Fuß." Der Fettwanst starrte zurück, wollte mich mit seinem Blick durchbohren, seine Augen sagten: "Du bist für mich nicht mehr als zwei Titten", und fragte: "Spanierinnen, was?" - "So was Ähnliches", entgegnete ich, ohne den Blick zu senken. Nach einigen Sekunden des Schweigens, das nur vom leicht durch den heißen Staub säuselnden Wind untermalt wurde, hatten wir gewonnen. Ohne den Blick von mir zu wenden - ich war wirklich noch nie mit so viel Gemeinheit und Missbilligung angeschaut worden - bedeutete der Patron seinem Jinetero und einem weiteren Angestellten, der sich als Fahrer entpuppte, mit einer Kopfbewegung, uns für sechs CUC nach Santiago zu fahren. Meine Knie zitterten ein wenig nach dem Blickgefecht, auch vor Wut, dass wir uns auf solch zwielichtige Gestalten einlassen mussten. Und ganz gebannt schien die Gefahr noch nicht. Ohne es auszusprechen, wussten Almut und ich beide, dass wir den gleichen Gedanken hatten: Hoffentlich fahren die uns jetzt nicht sonstwo hin, vergewaltigen uns und rauben uns aus. Also: Pokerface bewahren, auf alles gefasst sein!
Es ging gut. Außer ohrenbetäubend lauter Musik und dem unverhohlenen Angebot seitens des Betrunkenen, doch gleich noch ein kleines Nümmerchen zu schieben ("Dein Körper ist nämlich ganz gut"), wurde uns kein Leid zugefügt. Der Fahrer war sogar nüchtern. Endlich wieder im sicheren Gewimmel von Santiagos Plaza Dolores, atmeten wir beide tief auf und machten unserer Empörung über die Arten von Männern und Behandlung, denen wir soeben entkommen waren, lauthals Luft. Es sollte gottlob unsere einzige Erfahrung mit derart zwielichtigem Volk während der Reise bleiben. Es gibt jedoch auf Kuba, und das bestätigt einem jeder Kubaner, eine Spezies, die fast ebenso unangenehm sein kann wie die trüben Gestalten am Rand des Gesetzes: Die sogenannten Hüter des Gesetzes. Weil der Eintrag droht, Überlänge zu bekommen, beschneide ich ihn hier und mache einen hübschen Zweiteiler daraus. Gleich geht's weiter!
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