Das Gute am Thema dieses Eintrags ist, dass ich es nicht vergessen kann. Es läuft mir nämlich jeden Tag über den Weg. Denn ja, ich muss gestehen, dass ich manchmal Einfälle für Blogtexte habe und sie dann wieder vergesse. Ich verdächtige als Vergessenszeitpunkt die frühen Morgenstunden, genauer den Schlaf, in dem ich mich während dieser meist befinde. Es ist nämlich so, dass mir die Einfälle in der Regel irgendwann über Tag kommen und ich sie dann nachts im Bett, vorm Einschlafen, bebrüte. Ich gehöre schaffensmäßig wohl eher den Eierlegenden als den Säugetieren an, meine Jungen schlüpfen erst nach einer gewissen Brutzeit. Diese beträgt eine oder mehrere Nächte, je nach Größe des Eis. Aber manchmal, wenn ich schlafe, muss wohl eine Elster oder ein Marder kommen und das Ei stehlen, denn manchmal sind die Einfallseier am nächsten Tag weg, und ich muss erst wieder darauf warten, dass der Storch mir ein neues vom Himmel schmeißt. Nicht so mit diesem Ei-nfall. Er grüßt mich täglich wie das Murmeltier, und jetzt, zur venezianischen Karnevalszeit, wird er sogar täglich rabiater in seinem Heischen um Aufmerksamkeit.
Die Venezianer haben allem Anschein nach, das habe ich hier gelernt, ein besonderes Verhältnis zu ihren Hunden. Das fängt schon damit an, dass hier, in einer Stadt aus Wasser und Stein, wo es nur in versteckten privaten Gärten mal ein Fleckchen Gras und ein paar verschüchterte Bäumchen gibt, erstaunlich viele Hunde gehalten werden. Den Hund an sich assoziiert der tierliebe Mensch ja am liebsten mit Hof, Wald und Feld, allgemein doch aber eher mit einem grünen, weitläufigen Umfeld. Beides ist in Venedig ausgeschlossen, die Hunde aber trotzdem zahlreich. Ihre Haufen, wie der kluge Leser gleich geschlussfolgert haben wird, verhalten sich ganz regelmäßig relativ zur Anzahl der Tiere. Venedig ist für den Fußgänger quasi ein Labyrinth im Labyrinth: Da man ständig auf den Steinboden schaut, um nicht in die nächste Hundehinterlassenschaft zu treten, verpasst man zwangsläufig die richtige Abzweigung und geht beständig im Kreis.
Und meistens sehen besagte Hunde, das erklärt vielleicht schon ihr Dasein, so kunstvoll aus wie die Architektur, durch die sie trippeln. Viele sind so klein, dass sie gar nicht laufen können oder sollen, sondern in eigens dafür angefertigten Körbchen oder Rucksäckchen getragen werden. Wahrscheinlich haben diese Hunde der Hygiene zuliebe eine Windel an, so genau konnte ich das nicht überprüfen. Und ich sah hier zum ersten Mal wieder einen Pudel, wie man ihn eigentlich nur aus Cartoons kennt: mit teilrasierten Beinen und plüschigen Pfoten, einem auffrisierten Brustmantel und – traurig, aber wahr – zu drei Zöpfen geflochtenem Kopffell. Offenbar war auch dieser Hund, wenngleich recht groß, nicht zum Laufen gedacht, denn ich war die volle Spazierzeit an einem Kanälchen entlang zugegen, da mein Weg mich in dieselbe Richtung trug, und nach geschätzten 300 Metern war's auch schon vorbei mit Gassi und das Pudelexemplar wurde von seinem Herrchen wieder heimgeführt.
Was aber 90 Prozent der venezianischen Hunde eint, ist ihre Kleidung. Ja, richtig, nicht Fell, Kleidung. Gut, es ist entgegen landläufiger Meinungen auch hier im Veneto noch nicht Sommer, man holt sich schon mal leicht in der trügerischen Wintersonne einen Schnupfen weg. Doch glaubt der Venezianer an sich offenbar nicht an die Eingerichtetheit der Natur auf verschiedene Jahreszeiten, vielleicht hat er auch in seiner Kunst-Stadt schlicht noch nie davon gehört, dass Tieren für gewöhnlich ein Winterfell wächst und ihre Vorfahren, evolutionsgeschichtlich häufig steinalt, wohl darauf achten mussten, vom Menschen nicht das eigene Fell über die Ohren gezogen zu bekommen, aber doch eher nicht darauf angewiesen waren, von selbigem Kleider genäht zu bekommen. Der Venezianer jedoch hat, das ist bekannt, sich schon immer gern über die Natur erhoben und sie nach seinem eigenen Bilde geformt. So tut er es auch heute noch mit seinem Hund, indem er ihn nicht ohne Jacke aus dem Haus gehen lässt. Der venezianische Hund trägt – ganz anders als der andalusische – heute gern knallige Farben und sportliche Stoffe, gern mit farbigen Aufdrucken wie etwa dem eines Basketballteams (das ist dann wohl der Sportanzug), nicht selten aber auch das kleine wollene Schwarze, und zum Karneval darf's auch von (falschen?) Edelsteinen funkeln, dazu darf ein Häubchen auf dem Wuschelkopf nicht fehlen. Gern darf Schätzelein auch die gleiche schwarz-glänzende Daunenjacke tragen wie Frauchen, und natürlich hat sein Mäntelchen eine große aufgenähte Tasche, in der das liebe Tier seine wichitgen Unterlagen transportieren kann. Weiter gibt es alle Hüft- und Beinlängen, ob mini oder maxi, mit Rollkragen oder V-Ausschnitt. Ich schätze, der venezianische Hund hat seinen eigenen Kleiderschrank, vermutlich gleich neben seinem eigenen Bad. Vielleicht hat er auch das Sprechen erlernt; ich habe mich bisher nicht getraut, einen anzusprechen, ist ja unhöflich bei so feinem Volk.
Mir fällt nun gerade Ei-n, dass es im affektierten 18. Jahrhundert in Venedig, so zeigen es die Karikaturen meines Herrn Tiepolo, schon zum Tanzen abgerichtete Hunde gab, die ebenfalls Kleider trugen. Und ich glaube, ich werde als Geschäftsidee hier eine Hunde-Showtanzgruppe einrichten, mit der ich dann nächstes Jahr zu Karneval auftrete. Im Tutu oder gleich im stilechten Gewand des 18. Jahrhunderts. Das wird der letzte Schrei.
Sonntag, 27. Februar 2011
Sonntag, 6. Februar 2011
Die Möwen scheißen auf den Löwen
Der Vorteil aller Tiere – von denen ich für diesen Moment den Menschen mal ausschließe – ist ja, dass sie sich keine Gedanken um abstrakte Werte machen müssen. Um den moralischen Wert von Zeugnissen der Geschichte zum Beispiel.
Ich bin überzeugt, dass Venedig ein beliebter Aufenthaltsort nicht nur für Menschen, sondern auch für Möwen ist. Es gibt viel Wasser und viel Fisch, die Stadt ist von überall meerseitig zugängig. Da lebt es sich gut als Möwe. Fliegen, fressen, schwimmen, was will die Möwe mehr. Als Mensch hat man es da schon schwieriger: Mühsam muss man sich Venedig erlaufen und sich in ihm mindestens zweimal pro Tag verlaufen, um von A nach B und C zu kommen. Das Essen ist fast überall teuer, und schwimmen tut unsereins hier höchstens mal in einer Gondel, und das ist dann auch wieder teuer.
Ist man dann endlich am vielbesungenen Markusplatz angekommen, auf dem man voller Ehrfurcht vor der Serenissima niederknien will, muss man feststellen, dass man vor lauter Artgenossen den Platz nicht sieht, dass man ständig einer fremden Kameralinse im Weg steht, dass man sich auf dem Welthauptumschlagplatz fernöstlicher Plastikversionen wertvoller Accessoires befindet und dass der Untergrund, auf dem man steht, ein Mix aus Tauben- und Möwenkot ist. Resigniert lässt man den Blick hinüber nach San Giorgio Maggiore schweifen, das leider im Moment unerreichbar weit weg erscheint, bis die Augen schließlich vom Palazzo Ducale hochwandern zum Kopf der beiden hehren Säulen, die seinerzeit jahrhunderlang den von See her kommenden Reisenden herrschaftlich empfingen. Und dort oben steht er seit jeher trutzig, der bronzene Löwe, und ihm gegenüber wacht sein Herr Markus über das Stadttor. Der Markus steht auch weithin unbehelligt, aber wissen Sie was? Der Löwe ist ganz beschissen. Die Möwen, die sich keinen Deut um grandezza und Historie scheren, sitzen sehr gern auf des Löwen Kopf und Rücken. Und natürlich nehmen sie das Sitzen (wie unsere Spezies leicht nachvollziehen kann) gern zum Anlass, einmal in Ruhe ihr Geschäft zu verrichten. Und so ist der Löwe, da bin ich sicher, in der Draufsicht nicht bronzefarben, auch nicht grün-Bronze oxidiert, sondern weitgehend weiß. Schauen Sie mal in Google Earth auf die Piazza San Marco, und Sie sehen nichts als bunte Schirmmützen und einen vollgeschissenen weißen Löwen. Weil das alles nicht so schön anzusehen ist und Ihnen jetzt vielleicht, völlig zu recht, die Lust auf einen Venedig-Besuch vergangen ist, habe ich zwei Bilder zur Beruhigung Ihres ästhetischen Empfindens gemacht, die ich Ihnen hier zeige – und Sie können sich beruhigt an einem richtig schönen goldenen Löwen und einer richtig unschuldigen süßen Möwe erfreuen.
Und das Beste: Sie können sich das viele Geld für den eventuell geplanten Vendig-Besuch sparen. Wie gesagt: Nicht viel mehr als China, Menschenmassen und Vogelscheiße.
Ich bin überzeugt, dass Venedig ein beliebter Aufenthaltsort nicht nur für Menschen, sondern auch für Möwen ist. Es gibt viel Wasser und viel Fisch, die Stadt ist von überall meerseitig zugängig. Da lebt es sich gut als Möwe. Fliegen, fressen, schwimmen, was will die Möwe mehr. Als Mensch hat man es da schon schwieriger: Mühsam muss man sich Venedig erlaufen und sich in ihm mindestens zweimal pro Tag verlaufen, um von A nach B und C zu kommen. Das Essen ist fast überall teuer, und schwimmen tut unsereins hier höchstens mal in einer Gondel, und das ist dann auch wieder teuer.
Ist man dann endlich am vielbesungenen Markusplatz angekommen, auf dem man voller Ehrfurcht vor der Serenissima niederknien will, muss man feststellen, dass man vor lauter Artgenossen den Platz nicht sieht, dass man ständig einer fremden Kameralinse im Weg steht, dass man sich auf dem Welthauptumschlagplatz fernöstlicher Plastikversionen wertvoller Accessoires befindet und dass der Untergrund, auf dem man steht, ein Mix aus Tauben- und Möwenkot ist. Resigniert lässt man den Blick hinüber nach San Giorgio Maggiore schweifen, das leider im Moment unerreichbar weit weg erscheint, bis die Augen schließlich vom Palazzo Ducale hochwandern zum Kopf der beiden hehren Säulen, die seinerzeit jahrhunderlang den von See her kommenden Reisenden herrschaftlich empfingen. Und dort oben steht er seit jeher trutzig, der bronzene Löwe, und ihm gegenüber wacht sein Herr Markus über das Stadttor. Der Markus steht auch weithin unbehelligt, aber wissen Sie was? Der Löwe ist ganz beschissen. Die Möwen, die sich keinen Deut um grandezza und Historie scheren, sitzen sehr gern auf des Löwen Kopf und Rücken. Und natürlich nehmen sie das Sitzen (wie unsere Spezies leicht nachvollziehen kann) gern zum Anlass, einmal in Ruhe ihr Geschäft zu verrichten. Und so ist der Löwe, da bin ich sicher, in der Draufsicht nicht bronzefarben, auch nicht grün-Bronze oxidiert, sondern weitgehend weiß. Schauen Sie mal in Google Earth auf die Piazza San Marco, und Sie sehen nichts als bunte Schirmmützen und einen vollgeschissenen weißen Löwen. Weil das alles nicht so schön anzusehen ist und Ihnen jetzt vielleicht, völlig zu recht, die Lust auf einen Venedig-Besuch vergangen ist, habe ich zwei Bilder zur Beruhigung Ihres ästhetischen Empfindens gemacht, die ich Ihnen hier zeige – und Sie können sich beruhigt an einem richtig schönen goldenen Löwen und einer richtig unschuldigen süßen Möwe erfreuen.
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Und das Beste: Sie können sich das viele Geld für den eventuell geplanten Vendig-Besuch sparen. Wie gesagt: Nicht viel mehr als China, Menschenmassen und Vogelscheiße.
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