Ich bin überzeugt, dass Venedig ein beliebter Aufenthaltsort nicht nur für Menschen, sondern auch für Möwen ist. Es gibt viel Wasser und viel Fisch, die Stadt ist von überall meerseitig zugängig. Da lebt es sich gut als Möwe. Fliegen, fressen, schwimmen, was will die Möwe mehr. Als Mensch hat man es da schon schwieriger: Mühsam muss man sich Venedig erlaufen und sich in ihm mindestens zweimal pro Tag verlaufen, um von A nach B und C zu kommen. Das Essen ist fast überall teuer, und schwimmen tut unsereins hier höchstens mal in einer Gondel, und das ist dann auch wieder teuer.
Ist man dann endlich am vielbesungenen Markusplatz angekommen, auf dem man voller Ehrfurcht vor der Serenissima niederknien will, muss man feststellen, dass man vor lauter Artgenossen den Platz nicht sieht, dass man ständig einer fremden Kameralinse im Weg steht, dass man sich auf dem Welthauptumschlagplatz fernöstlicher Plastikversionen wertvoller Accessoires befindet und dass der Untergrund, auf dem man steht, ein Mix aus Tauben- und Möwenkot ist. Resigniert lässt man den Blick hinüber nach San Giorgio Maggiore schweifen, das leider im Moment unerreichbar weit weg erscheint, bis die Augen schließlich vom Palazzo Ducale hochwandern zum Kopf der beiden hehren Säulen, die seinerzeit jahrhunderlang den von See her kommenden Reisenden herrschaftlich empfingen. Und dort oben steht er seit jeher trutzig, der bronzene Löwe, und ihm gegenüber wacht sein Herr Markus über das Stadttor. Der Markus steht auch weithin unbehelligt, aber wissen Sie was? Der Löwe ist ganz beschissen. Die Möwen, die sich keinen Deut um grandezza und Historie scheren, sitzen sehr gern auf des Löwen Kopf und Rücken. Und natürlich nehmen sie das Sitzen (wie unsere Spezies leicht nachvollziehen kann) gern zum Anlass, einmal in Ruhe ihr Geschäft zu verrichten. Und so ist der Löwe, da bin ich sicher, in der Draufsicht nicht bronzefarben, auch nicht grün-Bronze oxidiert, sondern weitgehend weiß. Schauen Sie mal in Google Earth auf die Piazza San Marco, und Sie sehen nichts als bunte Schirmmützen und einen vollgeschissenen weißen Löwen. Weil das alles nicht so schön anzusehen ist und Ihnen jetzt vielleicht, völlig zu recht, die Lust auf einen Venedig-Besuch vergangen ist, habe ich zwei Bilder zur Beruhigung Ihres ästhetischen Empfindens gemacht, die ich Ihnen hier zeige – und Sie können sich beruhigt an einem richtig schönen goldenen Löwen und einer richtig unschuldigen süßen Möwe erfreuen.
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Löwe |
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Möwe |
Und das Beste: Sie können sich das viele Geld für den eventuell geplanten Vendig-Besuch sparen. Wie gesagt: Nicht viel mehr als China, Menschenmassen und Vogelscheiße.
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