An meinem heutigen freien Tag hatte ich ziemlich viel Körperkontakt mit Fäkalien. Nicht willentlich, sondern gezwungenermaßen, versteht sich.
Es fing damit an (nein, eigentlich fing es nicht damit an, es fing vielmehr schon gestern an, aber dazu später), dass die Sonne heute morgen so schön schien. Und da es mein freier Tag war, hab ich mich erst mal schön mit Zeitung und Sonnenbrille, ohne viel Kleidung in den Garten gesetzt. Das war auch ganz wunderbar. Irgendwann musste ich aber aufs Klo, mein Stoffwechsel ist morgens eins a. Pardon, dass ich solche Details andeuten muss, sie dienen aber hier der Anschaulichkeit: Da die Sonnenbrille für drinnen zu dunkel ist, setzte ich sie mir ganz keß auf den Kopf auf dem Klo, und da ist sie mir natürlich beim Aufstehen ausgerechnet nach hinten runtergefallen, direkt in die Schüssel - abgezogen hatte ich noch nicht. Die Sonnenbrille ist mit Stärke und deswegen durchaus keine Wegwerf- oder Abziehbrille. Was blieb mir also übrig als der Griff ins Klo. Waren ja immerhin meine Fäkalien und das Waschbecken direkt daneben. Aber gern macht man sowas nicht. Ich habe mir trotzdem erlaubt, es hier zu erzählen, weil es ja schließlich auch in dem schönen Film Brot und Tulpen gleich zu Anfang eine Szene gibt, in der die Protagonistin ganz Ähnliches durchleben muss. Kunst ist Kunst (übrigens habe ich, wie's der Teufel will, heute beim Stöbern auch Ferreris Das große Fressen als DVD entdeckt, aber vom Kauf abgesehen).
Irgendwann bekam ich trotz des Exkrementeerlebnisses Hunger. Vom gestrigen Kochclubessen (da hatte es nämlich im Grunde angefangen) hatte ich noch jede Menge Paella und Langusten übrig. Also, eigentlich heißen die hierzulande gar nicht Langusten, sondern Gambas, aber für mich sind es spanische Langostinos a la plancha. Streng genommen also Langüstchen, oder Langüsteken, wie der Niederrheiner wohl sagen würde. Langusten habe ich für den Titel gewählt, weil es sich so schön und mediterran anhört. Die Gambas oder Langüstchen habe ich dann also schön mit ajoleo, mit Knoblauch und Olivenöl, gebraten, dazu eine Prise Kräuter der Provence. So hatte ich es mal bei irgendeinem Fernsehkoch gesehen (und das war, ich schwöre, das einzige Mal, dass ich einem Fernsehkoch zugeschaut habe). Dieser Koch hatte die Tiere allerdings vorher gehäutet und ausgeweidet, ich fand sie schöner ganz. Hinterher ist mir aber aufgegangen, dass das mit dem Ausweiden gar keine so schlechte Idee ist, denn macht man es nicht, hat man zwar den Spaß des Knackens und Pulens vor dem Essen, aber die Tiere haben ja auch alle mal was gegessen, und deshalb haben sie auch einen Darm. Der liegt direkt unter ihrer Rückenhaut und ist, wie sollte es anders sein, voll mit Meeresaa (ein seltenes Wort mit zwei Doppelvokalen). Und man bekommt ihn in der Regeln in die Finger, wenn man das Tier entschalt hat; er lässt sich aber im gegarten Zustand kaum noch herauslösen, ohne dass der Inhalt sich über Tier und Hände verteilt. Gut, könnte man sagen und habe ich mir gesagt, solange sie zu Lebzeiten in keine Ölpest geraten sind, ist das ja alles Natur pur, aber man muss sich doch mal vor Augen führen, was wir da im Glauben, eine Delikatesse zu verspeisen, in der Regel mitzuessen in Kauf nehmen: Exkremente! Alle größeren Tiere werden vor dem Verzehr ausgeweidet, nur Schalen- und Weichtiere werden dabei wohl allzu oft übersehen. Oder habt Ihr etwa immer Eure Weinbergschnecken und Gambas vor dem Genuss entdarmt? Werden die in Asien und Afrika sehr beliebten Heuschrecken und Käfer etwa ausgeschlachtet, bevor sie geröstet und als Exotikfastfood feilgeboten werden? Ich gebe zu, all das sind nicht die gängigsten Nahrungsmittel, aber irgendwann hat vermutlich jeder von uns schon mal Aa gegessen.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger schmeckten mir die Langusten, die ich höchstens noch als olle Krabben empfand. Gleichzeitig erschien mir mein Tun auch plötzlich sehr barbarisch: Da reißt man einem Tier, das man zuvor am ganzen Leib in heißes Öl geworfen hat und das einen noch aus toten, seltsam ausdruckslosen Augen anguckt, erst den Kopf und dann die Beine ab, um es dann vollends zu häuten. Und schließlich verspeist man es mitsamt seinen Eingeweiden.
Nach der vierten Schlammguste brach ich ab. Seitdem ist mir ein bisschen schlecht. Das liegt bestimmt an dem vielen Langustenaa. Gott, im Herzen bin ich doch ein echter Vegetarier. Oder sogar Veganer. Pflanzen haben wenigstens keinen Darm.
Montag, 19. Mai 2008
Montag, 12. Mai 2008
Guten Tag, Herr Kakerlak
Ich liebe Südamerika. Nicht nur wegen der schönen Landschaft und der tollen Stimmung, sondern auch wegen der mutigen Männer dort. So ein Latin Macho ist doch noch ein richtiger Kerl. Zumindest, was den Umgang mit sechs- bis achtbeinigen Krabbeltieren angeht. Egal, ob Kakerlaken, Spinnen oder andere, sich unserem europäischen Benennungshorizont entziehende Spezies sich ins Zimmer eingeschlichen haben (bzw. sie prinzipiell dort wohnen, wo unsereins sich einschleicht): Ich sage einem männlichen Wesen in greifbarer Umgebung Bescheid, und er macht’s weg, ohne mit der Wimper zu zucken. Da brauche ich mich in meinen Ekel gar nicht groß hineinzusteigern. Einmal hatte ich in Brasilien eine Zecke in der Achselhöhle, und weil ich mich so geekelt habe, bin ich ins örtliche Krankenhaus gegangen (war mehr so eine Bretterkneipe mit Ambulanz, sehr kleiner Ort) und habe, zur Erheiterung der Anwesenden, mein Problem geschildert, mit erhobenem Arm. Und ein älterer Herr, der einfach nur so da rumsaß in dem Vorzimmer, wahrscheinlich weil’s kühler war als draußen, ist einfach aufgestanden und hat das Tier rausgezogen. Zack. Und geschmunzelt. Und ich dachte: Was für ein Mann!
Hierzulande ist frau mit solchen Problemen auf sich gestellt. Ich zumindest kenne hauptsächlich Männer, die sich mindestens genauso viel vor gewissen Tierchen ekeln wie ich selbst. Und in meinem Hamburger Zuhause wohnt ja gar kein Mann. Dafür ein Kakerlak, unten im Bad. Er ist da natürlich nicht allein, es ist ein altes, sicher nicht überall ganz dichtes Haus und das Bad liegt im Keller. Nachbarn des Kakerlaken sind etliche Spinnen und immer mal wieder ein paar Silberfischchen. Aber die Spinnen sind in der Regel so klein, dass ich sie unter ungefährlich abhaken kann, und die Silberfische kommen nur manchmal kurz aus ihrem Versteck, um die Lage zu peilen und verabschieden sich dann meist schnell wieder. Aber dieser Kakerlak, das ist ein ganz schlimmer. Führt sich auf wie der König des Kellers und weigert sich zu sterben.
Bei unserer ersten Begegnung habe ich ihn erst gar nicht erkannt, ich saß nämlich ohne Sehhilfe auf dem Klo und er saß auf dem Badewannenvorleger in zwei Metern Entfernung; ich hielt ihn für Dreck oder einen großen Flusen. Gut, dass ich meine Brille aufsetzte, bevor ich weitere Schritte unternahm, denn unterm Glas nahm der Flusen plötzlich Gestalt an und wurde zu diesem schwarzen Vieh! Blitzschnell kalkulierte ich meine Verteidigungs- und Rettungschancen und kam zu dem Schluss: Okay, du bist allein, niemand kann dir jetzt helfen, das hier ist ganz allein dein Ding. Und mit einem lauten „You are not welcome!“ nahm ich den Schrubber und fegte ihn erst mal an den Badewannenrand, trieb ihn in die Enge. Und dann, ich gestehe es, schlug ich ein paarmal mit dem Schrubber auf das Objekt meines Ekels ein, aber mit der Borstenseite. Als ich vorsichtig nachsah, lag der schwarze Krieger reglos am Boden. Ich wagte es nicht, die Leiche aufzuheben und zu entsorgen, daher fegte ich sie erst mal ein Stück weit hinter den Schrank, so dass sie wenigstens aus meinem Blickfeld verschwand. Endlich konnte ich in Ruhe meine Nachttoilette beenden.
Der findige Leser wird aber schnell – und richtig – vermuten, dass die Geschichte hier nicht zu Ende ist: Am Tag darauf war die Leiche auf seltsame Weise verschwunden. Mir schwante Schlimmes, ich versuchte aber, nicht zu viel drüber nachzudenken. Bis noch einen Tag später wer quietschfidel den Badewannenrand entlangspaziert? Richtig, der liebe Herr Kakerlak.
Zuerst überlegte ich, ihn einfach zu ingnorieren, mich ganz Herrin der Lage zu geben. Aber der kleine Schweinehund legte es offensichtlich auf Konfrontation an, er bog von seinem Weg ab und kam direkt auf mich zu. „Na gut, du willst es nicht anders“, warnte ich ihn und holte den Besen. Diesmal versuchte ich nicht, ihn zu erschlagen, sondern fegte ihn so geschickt in die Ecke zwischen Schrank und Badewanne, dass er nicht nur aus meinem Wirkungsbereich verschwand, sondern auch hilflos auf dem Rücken liegen blieb. Grausam, aber da ließ ich ihn zappeln. Verletzung fremden Herrschaftsgebiets muss bestraft werden, das wissen wir seit der jüngsten Andenkrise. Wieder führte ich dann meine Toilette zu Ende und versuchte, nicht an das strampelnde Etwas am anderen Ende des Raumes zu denken. Als ich mich aber zum Gehen wandte, kreuzte zu meinem Entsetzen ein schwarzer, unverwüstlicher Ninjakämpfer auf sechs Beinen meinen Weg. Dass er mich nicht frech angrinste, war alles. In der Hoffnung, dass er mir nicht auch dorthin folgen würde, verließ ich fluchtartig das Bad und rettete mich in mein Zimmer. Dort überlegte ich: Ich habe einen Territorialkonflikt mit einem Kakerlaken. Ist ein Territorialkonflikt nicht im Grunde auch ein Beziehungsproblem? Gerade wenn die Beteiligten nicht des anderen Sprache sprechen, reduzieren sich persönliche Probleme schnell auf die reinen Besitzverhältnisse. Vielleicht müsste ich also einfach ganz offen mit ihm über das reden, was mich an ihm stört. Aug in Aug fällt mir sowas immer schwer, deshalb entschied ich mich für die Briefvariante, da kann man die Worte sorgfältig abwägen und der andere unterbricht einen nicht dauernd. Und so schrieb ich auf feinem Büttenpapier einen Brief an den Feind in meinem Bad, auf einem ganz kleinen Blatt in klitzekleinen Buchstaben, damit er hinterher nicht behaupten könnte, er habe Schwierigkeiten beim Lesen gehabt. und diesen Brief werde ich ihm unten in seine Ecke stellen, dorthin, wo ich ihn schon zweimal tot oder todgeweiht zurückgelassen geglaubt hatte. Ich gebe den Wortlaut hier wieder:
Werter Herr Kakerlak,
ich weiß mir nicht mehr anders zu helfen als mit diesem Brief an Sie. Ich kann verstehen, wenn Sie nicht gut auf mich zu sprechen sind, Sie haben in der Tat allen Grund dazu. Auch Hass Ihrerseits könnte ich nachvollziehen. Aber lassen Sie mich, bevor Sie diese Zeilen blind vor Wut in Stücke reißen, meinen Standpunkt erklären:
Es tut mir Leid – zumindest vom moralischen Standpunkt her gesehen – dass ich versucht habe, Sie umzubringen. Zweimal wollte ich Sie töten, und das mit einiger Brutalität, und zweimal sind Sie wie ein frecher Phönix aus der Pottasche flugs wieder auferstanden. Vielleicht hinken Sie nun ein bisschen, aber bestimmt haben Sie noch genug Manneskraft übrig, um viele kleine Kakerlakenkinder zu zeugen. Erfreuen Sie sich daran!
Denn ich versichere Ihnen, Herr Kakerlak: Meine Absicht, Sie zu töten, entsprang durchaus keinem Tötungswunsch aus einer perversen Lust an der Sache, sondern vielmehr einer sehr persönlichen, zutiefst menschlichen, vielleicht speziell weiblichen Schwäche: Sie sind mir zuwider. Dabei anerkenne ich Ihr Recht auf Existenz, letztlich auch das auf Grund und Boden, denn wir sind Teil einer Schöpfung und bewohnen denselben Planeten. Doch ich bitte Sie mit allem nötigen Respekt, diese meine eine Forderung zu akzeptieren: Ich will Sie nicht mehr sehen. Ich will Ihr Dasein nicht mehr sinnlich erfahren. Leben Sie meinethalben weiter Ihr Leben dort unten in dem Kellerraum, der mir als Bad dient, aber verschonen Sie mich in Zukunft mit Ihrem Anblick. Verstecken Sie sich einfach, wenn ich da bin, vielmehr ziehen Sie sich zurück, machen Sie von mir aus ein Nickerchen oder essen Sie still einen Silberfisch, was auch immer, aber sorgen Sie bitte dafür, dass meine Augen nicht mehr in Ihr mir zutiefst widerwärtiges Antlitz blicken müssen. Dann, Herr Kakerlak, können wir uns auf unserem gemeinsamen Territorium (zu dieser Konzession bin ich immerhin bereit) vielleicht zu unser beider Zufriedenheit arrangieren. Anderenfalls seien Sie gewarnt, dass ich auch zu drastischeren Schritten bereit sein werde. Bewaffnete Vertreter meiner Spezies – wir nennen sie Kammerjäger – werden nicht ruhen, bevor von Ihnen nur noch ein Häufchen Staub übrig ist, das sich kinderleicht unter den nächsten Teppich kehren lässt.
In Erwartung Ihrer Reaktion verbleibe ich mit freundlichen Grüßen,
Ihre Frau Nölle
Hierzulande ist frau mit solchen Problemen auf sich gestellt. Ich zumindest kenne hauptsächlich Männer, die sich mindestens genauso viel vor gewissen Tierchen ekeln wie ich selbst. Und in meinem Hamburger Zuhause wohnt ja gar kein Mann. Dafür ein Kakerlak, unten im Bad. Er ist da natürlich nicht allein, es ist ein altes, sicher nicht überall ganz dichtes Haus und das Bad liegt im Keller. Nachbarn des Kakerlaken sind etliche Spinnen und immer mal wieder ein paar Silberfischchen. Aber die Spinnen sind in der Regel so klein, dass ich sie unter ungefährlich abhaken kann, und die Silberfische kommen nur manchmal kurz aus ihrem Versteck, um die Lage zu peilen und verabschieden sich dann meist schnell wieder. Aber dieser Kakerlak, das ist ein ganz schlimmer. Führt sich auf wie der König des Kellers und weigert sich zu sterben.
Bei unserer ersten Begegnung habe ich ihn erst gar nicht erkannt, ich saß nämlich ohne Sehhilfe auf dem Klo und er saß auf dem Badewannenvorleger in zwei Metern Entfernung; ich hielt ihn für Dreck oder einen großen Flusen. Gut, dass ich meine Brille aufsetzte, bevor ich weitere Schritte unternahm, denn unterm Glas nahm der Flusen plötzlich Gestalt an und wurde zu diesem schwarzen Vieh! Blitzschnell kalkulierte ich meine Verteidigungs- und Rettungschancen und kam zu dem Schluss: Okay, du bist allein, niemand kann dir jetzt helfen, das hier ist ganz allein dein Ding. Und mit einem lauten „You are not welcome!“ nahm ich den Schrubber und fegte ihn erst mal an den Badewannenrand, trieb ihn in die Enge. Und dann, ich gestehe es, schlug ich ein paarmal mit dem Schrubber auf das Objekt meines Ekels ein, aber mit der Borstenseite. Als ich vorsichtig nachsah, lag der schwarze Krieger reglos am Boden. Ich wagte es nicht, die Leiche aufzuheben und zu entsorgen, daher fegte ich sie erst mal ein Stück weit hinter den Schrank, so dass sie wenigstens aus meinem Blickfeld verschwand. Endlich konnte ich in Ruhe meine Nachttoilette beenden.
Der findige Leser wird aber schnell – und richtig – vermuten, dass die Geschichte hier nicht zu Ende ist: Am Tag darauf war die Leiche auf seltsame Weise verschwunden. Mir schwante Schlimmes, ich versuchte aber, nicht zu viel drüber nachzudenken. Bis noch einen Tag später wer quietschfidel den Badewannenrand entlangspaziert? Richtig, der liebe Herr Kakerlak.
Zuerst überlegte ich, ihn einfach zu ingnorieren, mich ganz Herrin der Lage zu geben. Aber der kleine Schweinehund legte es offensichtlich auf Konfrontation an, er bog von seinem Weg ab und kam direkt auf mich zu. „Na gut, du willst es nicht anders“, warnte ich ihn und holte den Besen. Diesmal versuchte ich nicht, ihn zu erschlagen, sondern fegte ihn so geschickt in die Ecke zwischen Schrank und Badewanne, dass er nicht nur aus meinem Wirkungsbereich verschwand, sondern auch hilflos auf dem Rücken liegen blieb. Grausam, aber da ließ ich ihn zappeln. Verletzung fremden Herrschaftsgebiets muss bestraft werden, das wissen wir seit der jüngsten Andenkrise. Wieder führte ich dann meine Toilette zu Ende und versuchte, nicht an das strampelnde Etwas am anderen Ende des Raumes zu denken. Als ich mich aber zum Gehen wandte, kreuzte zu meinem Entsetzen ein schwarzer, unverwüstlicher Ninjakämpfer auf sechs Beinen meinen Weg. Dass er mich nicht frech angrinste, war alles. In der Hoffnung, dass er mir nicht auch dorthin folgen würde, verließ ich fluchtartig das Bad und rettete mich in mein Zimmer. Dort überlegte ich: Ich habe einen Territorialkonflikt mit einem Kakerlaken. Ist ein Territorialkonflikt nicht im Grunde auch ein Beziehungsproblem? Gerade wenn die Beteiligten nicht des anderen Sprache sprechen, reduzieren sich persönliche Probleme schnell auf die reinen Besitzverhältnisse. Vielleicht müsste ich also einfach ganz offen mit ihm über das reden, was mich an ihm stört. Aug in Aug fällt mir sowas immer schwer, deshalb entschied ich mich für die Briefvariante, da kann man die Worte sorgfältig abwägen und der andere unterbricht einen nicht dauernd. Und so schrieb ich auf feinem Büttenpapier einen Brief an den Feind in meinem Bad, auf einem ganz kleinen Blatt in klitzekleinen Buchstaben, damit er hinterher nicht behaupten könnte, er habe Schwierigkeiten beim Lesen gehabt. und diesen Brief werde ich ihm unten in seine Ecke stellen, dorthin, wo ich ihn schon zweimal tot oder todgeweiht zurückgelassen geglaubt hatte. Ich gebe den Wortlaut hier wieder:
Werter Herr Kakerlak,
ich weiß mir nicht mehr anders zu helfen als mit diesem Brief an Sie. Ich kann verstehen, wenn Sie nicht gut auf mich zu sprechen sind, Sie haben in der Tat allen Grund dazu. Auch Hass Ihrerseits könnte ich nachvollziehen. Aber lassen Sie mich, bevor Sie diese Zeilen blind vor Wut in Stücke reißen, meinen Standpunkt erklären:
Es tut mir Leid – zumindest vom moralischen Standpunkt her gesehen – dass ich versucht habe, Sie umzubringen. Zweimal wollte ich Sie töten, und das mit einiger Brutalität, und zweimal sind Sie wie ein frecher Phönix aus der Pottasche flugs wieder auferstanden. Vielleicht hinken Sie nun ein bisschen, aber bestimmt haben Sie noch genug Manneskraft übrig, um viele kleine Kakerlakenkinder zu zeugen. Erfreuen Sie sich daran!
Denn ich versichere Ihnen, Herr Kakerlak: Meine Absicht, Sie zu töten, entsprang durchaus keinem Tötungswunsch aus einer perversen Lust an der Sache, sondern vielmehr einer sehr persönlichen, zutiefst menschlichen, vielleicht speziell weiblichen Schwäche: Sie sind mir zuwider. Dabei anerkenne ich Ihr Recht auf Existenz, letztlich auch das auf Grund und Boden, denn wir sind Teil einer Schöpfung und bewohnen denselben Planeten. Doch ich bitte Sie mit allem nötigen Respekt, diese meine eine Forderung zu akzeptieren: Ich will Sie nicht mehr sehen. Ich will Ihr Dasein nicht mehr sinnlich erfahren. Leben Sie meinethalben weiter Ihr Leben dort unten in dem Kellerraum, der mir als Bad dient, aber verschonen Sie mich in Zukunft mit Ihrem Anblick. Verstecken Sie sich einfach, wenn ich da bin, vielmehr ziehen Sie sich zurück, machen Sie von mir aus ein Nickerchen oder essen Sie still einen Silberfisch, was auch immer, aber sorgen Sie bitte dafür, dass meine Augen nicht mehr in Ihr mir zutiefst widerwärtiges Antlitz blicken müssen. Dann, Herr Kakerlak, können wir uns auf unserem gemeinsamen Territorium (zu dieser Konzession bin ich immerhin bereit) vielleicht zu unser beider Zufriedenheit arrangieren. Anderenfalls seien Sie gewarnt, dass ich auch zu drastischeren Schritten bereit sein werde. Bewaffnete Vertreter meiner Spezies – wir nennen sie Kammerjäger – werden nicht ruhen, bevor von Ihnen nur noch ein Häufchen Staub übrig ist, das sich kinderleicht unter den nächsten Teppich kehren lässt.
In Erwartung Ihrer Reaktion verbleibe ich mit freundlichen Grüßen,
Ihre Frau Nölle
Dienstag, 6. Mai 2008
In Tüddelchen mit dem Tüdelband rumtüddeln
In Hamburg wird oft und gern getüddelt (oder getüdelt, je nach Neigung), und zwar auf vielerlei Art. Mir ist das auch schon widerfahren, ich wurde sozusagen ordentlich dürchgetüddelt. Nun fragt sich natürlich der gemeine Rheinländer: Was ist hier passiert? Oder auch: Waddisdattenn?! Dann wollen wir mal nicht so gemein sein zum gemeinen Rheinländer und ihn aufklären.
Leider kann ich das Folgende nur unzureichend sekundärliterarisch belegen, ich habe nämlich meinen dtv-Atlas Deutsche Sprache nicht zur Hand, der ist im Rheinland (nä, wat is dat Reimen schön). Ich kann also keinen rechten Aufschluss über den etymologischen Ursprung des Objektes meiner heutigen Betrachtungen geben (werde das bei Gelegenheit vielleicht noch nachreichen, sonst bleibe ich selbst am Ende als Philologin unzufrieden), habe dafür aber einige populärwissenschaftliche Quellen zum Thema parat.
So wie in Köln dat Trömmelsche jeht, rennt der Jung mit’m Tüdelband durch das kulturelle Gedächtnis der Hamburger, anner Hand ’n Bodderbrod mit Kees. Und wenn er sich mal wehtut, indem er mitm Dassel opn Kantsteen rasselt, macht ihm das nichts, is nämlich n Klacks für son Hamburger Jung. Das Lied kennt jeder richtige Hamburger, so schreibt die ZEIT, und so versicherten es mir meine beiden Kollegen, als wir neulich das Tüdelthema erörterten. Und als ich den Test mit Maggy machte, konnte sie es auch gleich vorsingen, die These scheint also durchaus haltbar. Nun interessierte mich ja weniger der Jung als die Tüdelei an sich, denn so kamen wir bei besagter Gelegenheit drauf: Es regnete mal wieder, nachdem noch Minuten zuvor die Sonne geschienen hatte, und mit einem Blick aus dem Fenster meinte meine Kollegin S. kopfschüttelnd: „Is doch tüddelüddel!“ Ich musste erst überlegen, um zu verstehen (das kommt ja in den besten Kreisen vor), war mir doch diese Verwendung der beiden bedeutungsschwangeren Silbchen neu. Für mich konnte man bis dahin nur tüddelig sein, und das auch im Rheinland, wenn ich nicht irre, oder etwas vertüddeln, dies aber doch eher hier im Norden. Aber nun war zum Tüddel noch ein Lüddel gekommen, und das Wetter sollte so sein, bestehend aus einem Sonne-Wolkenmix. Yepa. Ich wollte dann wissen, ob es sich nun korrekt mit zwei d tüddelt (wie es sich anhört) oder mit einem. Da ist man sich in Plattexpertenkreisen durchaus nicht einig. Dafür bekam ich spontan ein wenn auch unzusammenhängendes Tüdelband- (wir einigten uns auf diese Schreibweise) Ständchen. Und ich fragte, was denn ein Tüdelband sei. „Na, ein Tüdelband, einfach so’n Tüdelband“, erklärte mir S., aber da fragte ich mich dann weiter, wie denn ein einfaches Tüdelband, das in meinem Kopf einfach keine Gestalt annehmen wollte, Schuld daran sein könne, dass jemand mit’m Dassel auf den Kantsteen rasselt. Dank unseres recherchestarken Arbeitsumfelds konnte die Sache geklärt werden, und der plattmaster.de und andere Internetquellen erklären’s auch noch mal zum Mitschreiben: Tüdelband heißt eigentlich Faden oder Seil, und das Tüdelband aus dem Lied müsste eigentlich Trudelband heißen, ist es doch „´n iesern Band vun´n höltern Fatt“, also ein Trudelreifen. Ist als Spielzeug ein wenig aus der Mode gekommen und deshalb vielleicht nicht mehr allen präsent, aber vielleicht mag ja der eine oder andere mal seine Großeltern fragen, sofern es die noch gibt, oder das Familienalbum mit Bildern aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konsultieren. Fazit ist jedenfalls, dass sich da jemand ein bisschen vertüddelt hat bei der Namensgebung.
Aber wie es so ist mit Murphy’s Law, ein Tüddel kommt selten allein, und wenn man einmal von ihrer Existenz weiß, verfolgen sie einen überall. Kurz darauf sprach ich nämlich mit Maggy über Generationenprobleme, und sie erzählte mir von der großen Spaltung nach dem 68er-Aufbruch, „da waren die Tüddelchen Politischen und die Tüddelchen Feministinnen und so weiter, und die einen konnten mit den anderen nich, und man musste sich auf jeden Fall abgrenzen.“ Auch hier dauerte es eine Weile, bis ich begriff: Die Politischen, die Feministinnen, die Esoteriker und all die anderen hatten zumindest auf der Metaebene gemeinsam, dass sie in Anführungszeichen standen. Und Tüddelchen ist so ein heiterer Begriff auf der ansonsten eher trockenen Metaebene, da erscheinen die verhärteten Post-68er-Fronten doch gleich etwas freundlicher.
Ganz nebenbei stellt sich hier wieder die Frage der Generationenzugehörigkeit: Ist Maggy eine 68erin, weil oder obwohl sie vor allem beim Verhärten und Aufweichen der 68er-Fronten mitgewirkt hat? Bin ich eine Golferin, obwohl niemand aus meiner Familie jemals einen Golf besessen hat und ich sieben Jahre jünger bin als Florian Illies, ich aber dennoch früher Nutellabilder gesammelt und alle drei Moderatoren von „Wetten, dass?“ miterlebt habe?
Wer legt fest, wann eine Generation, die einen Namen hat, beginnt und wann sie aufhört, Mitglieder aufzunehmen? Zur Not, als eine Art Trost auch für die Angehörigen einer „Generation Garnischt“, könnten wir uns alle an einem Ort treffen: In Tüddelchen.
Leider kann ich das Folgende nur unzureichend sekundärliterarisch belegen, ich habe nämlich meinen dtv-Atlas Deutsche Sprache nicht zur Hand, der ist im Rheinland (nä, wat is dat Reimen schön). Ich kann also keinen rechten Aufschluss über den etymologischen Ursprung des Objektes meiner heutigen Betrachtungen geben (werde das bei Gelegenheit vielleicht noch nachreichen, sonst bleibe ich selbst am Ende als Philologin unzufrieden), habe dafür aber einige populärwissenschaftliche Quellen zum Thema parat.
So wie in Köln dat Trömmelsche jeht, rennt der Jung mit’m Tüdelband durch das kulturelle Gedächtnis der Hamburger, anner Hand ’n Bodderbrod mit Kees. Und wenn er sich mal wehtut, indem er mitm Dassel opn Kantsteen rasselt, macht ihm das nichts, is nämlich n Klacks für son Hamburger Jung. Das Lied kennt jeder richtige Hamburger, so schreibt die ZEIT, und so versicherten es mir meine beiden Kollegen, als wir neulich das Tüdelthema erörterten. Und als ich den Test mit Maggy machte, konnte sie es auch gleich vorsingen, die These scheint also durchaus haltbar. Nun interessierte mich ja weniger der Jung als die Tüdelei an sich, denn so kamen wir bei besagter Gelegenheit drauf: Es regnete mal wieder, nachdem noch Minuten zuvor die Sonne geschienen hatte, und mit einem Blick aus dem Fenster meinte meine Kollegin S. kopfschüttelnd: „Is doch tüddelüddel!“ Ich musste erst überlegen, um zu verstehen (das kommt ja in den besten Kreisen vor), war mir doch diese Verwendung der beiden bedeutungsschwangeren Silbchen neu. Für mich konnte man bis dahin nur tüddelig sein, und das auch im Rheinland, wenn ich nicht irre, oder etwas vertüddeln, dies aber doch eher hier im Norden. Aber nun war zum Tüddel noch ein Lüddel gekommen, und das Wetter sollte so sein, bestehend aus einem Sonne-Wolkenmix. Yepa. Ich wollte dann wissen, ob es sich nun korrekt mit zwei d tüddelt (wie es sich anhört) oder mit einem. Da ist man sich in Plattexpertenkreisen durchaus nicht einig. Dafür bekam ich spontan ein wenn auch unzusammenhängendes Tüdelband- (wir einigten uns auf diese Schreibweise) Ständchen. Und ich fragte, was denn ein Tüdelband sei. „Na, ein Tüdelband, einfach so’n Tüdelband“, erklärte mir S., aber da fragte ich mich dann weiter, wie denn ein einfaches Tüdelband, das in meinem Kopf einfach keine Gestalt annehmen wollte, Schuld daran sein könne, dass jemand mit’m Dassel auf den Kantsteen rasselt. Dank unseres recherchestarken Arbeitsumfelds konnte die Sache geklärt werden, und der plattmaster.de und andere Internetquellen erklären’s auch noch mal zum Mitschreiben: Tüdelband heißt eigentlich Faden oder Seil, und das Tüdelband aus dem Lied müsste eigentlich Trudelband heißen, ist es doch „´n iesern Band vun´n höltern Fatt“, also ein Trudelreifen. Ist als Spielzeug ein wenig aus der Mode gekommen und deshalb vielleicht nicht mehr allen präsent, aber vielleicht mag ja der eine oder andere mal seine Großeltern fragen, sofern es die noch gibt, oder das Familienalbum mit Bildern aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konsultieren. Fazit ist jedenfalls, dass sich da jemand ein bisschen vertüddelt hat bei der Namensgebung.
Aber wie es so ist mit Murphy’s Law, ein Tüddel kommt selten allein, und wenn man einmal von ihrer Existenz weiß, verfolgen sie einen überall. Kurz darauf sprach ich nämlich mit Maggy über Generationenprobleme, und sie erzählte mir von der großen Spaltung nach dem 68er-Aufbruch, „da waren die Tüddelchen Politischen und die Tüddelchen Feministinnen und so weiter, und die einen konnten mit den anderen nich, und man musste sich auf jeden Fall abgrenzen.“ Auch hier dauerte es eine Weile, bis ich begriff: Die Politischen, die Feministinnen, die Esoteriker und all die anderen hatten zumindest auf der Metaebene gemeinsam, dass sie in Anführungszeichen standen. Und Tüddelchen ist so ein heiterer Begriff auf der ansonsten eher trockenen Metaebene, da erscheinen die verhärteten Post-68er-Fronten doch gleich etwas freundlicher.
Ganz nebenbei stellt sich hier wieder die Frage der Generationenzugehörigkeit: Ist Maggy eine 68erin, weil oder obwohl sie vor allem beim Verhärten und Aufweichen der 68er-Fronten mitgewirkt hat? Bin ich eine Golferin, obwohl niemand aus meiner Familie jemals einen Golf besessen hat und ich sieben Jahre jünger bin als Florian Illies, ich aber dennoch früher Nutellabilder gesammelt und alle drei Moderatoren von „Wetten, dass?“ miterlebt habe?
Wer legt fest, wann eine Generation, die einen Namen hat, beginnt und wann sie aufhört, Mitglieder aufzunehmen? Zur Not, als eine Art Trost auch für die Angehörigen einer „Generation Garnischt“, könnten wir uns alle an einem Ort treffen: In Tüddelchen.
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