In Hamburg wird oft und gern getüddelt (oder getüdelt, je nach Neigung), und zwar auf vielerlei Art. Mir ist das auch schon widerfahren, ich wurde sozusagen ordentlich dürchgetüddelt. Nun fragt sich natürlich der gemeine Rheinländer: Was ist hier passiert? Oder auch: Waddisdattenn?! Dann wollen wir mal nicht so gemein sein zum gemeinen Rheinländer und ihn aufklären.
Leider kann ich das Folgende nur unzureichend sekundärliterarisch belegen, ich habe nämlich meinen dtv-Atlas Deutsche Sprache nicht zur Hand, der ist im Rheinland (nä, wat is dat Reimen schön). Ich kann also keinen rechten Aufschluss über den etymologischen Ursprung des Objektes meiner heutigen Betrachtungen geben (werde das bei Gelegenheit vielleicht noch nachreichen, sonst bleibe ich selbst am Ende als Philologin unzufrieden), habe dafür aber einige populärwissenschaftliche Quellen zum Thema parat.
So wie in Köln dat Trömmelsche jeht, rennt der Jung mit’m Tüdelband durch das kulturelle Gedächtnis der Hamburger, anner Hand ’n Bodderbrod mit Kees. Und wenn er sich mal wehtut, indem er mitm Dassel opn Kantsteen rasselt, macht ihm das nichts, is nämlich n Klacks für son Hamburger Jung. Das Lied kennt jeder richtige Hamburger, so schreibt die ZEIT, und so versicherten es mir meine beiden Kollegen, als wir neulich das Tüdelthema erörterten. Und als ich den Test mit Maggy machte, konnte sie es auch gleich vorsingen, die These scheint also durchaus haltbar. Nun interessierte mich ja weniger der Jung als die Tüdelei an sich, denn so kamen wir bei besagter Gelegenheit drauf: Es regnete mal wieder, nachdem noch Minuten zuvor die Sonne geschienen hatte, und mit einem Blick aus dem Fenster meinte meine Kollegin S. kopfschüttelnd: „Is doch tüddelüddel!“ Ich musste erst überlegen, um zu verstehen (das kommt ja in den besten Kreisen vor), war mir doch diese Verwendung der beiden bedeutungsschwangeren Silbchen neu. Für mich konnte man bis dahin nur tüddelig sein, und das auch im Rheinland, wenn ich nicht irre, oder etwas vertüddeln, dies aber doch eher hier im Norden. Aber nun war zum Tüddel noch ein Lüddel gekommen, und das Wetter sollte so sein, bestehend aus einem Sonne-Wolkenmix. Yepa. Ich wollte dann wissen, ob es sich nun korrekt mit zwei d tüddelt (wie es sich anhört) oder mit einem. Da ist man sich in Plattexpertenkreisen durchaus nicht einig. Dafür bekam ich spontan ein wenn auch unzusammenhängendes Tüdelband- (wir einigten uns auf diese Schreibweise) Ständchen. Und ich fragte, was denn ein Tüdelband sei. „Na, ein Tüdelband, einfach so’n Tüdelband“, erklärte mir S., aber da fragte ich mich dann weiter, wie denn ein einfaches Tüdelband, das in meinem Kopf einfach keine Gestalt annehmen wollte, Schuld daran sein könne, dass jemand mit’m Dassel auf den Kantsteen rasselt. Dank unseres recherchestarken Arbeitsumfelds konnte die Sache geklärt werden, und der plattmaster.de und andere Internetquellen erklären’s auch noch mal zum Mitschreiben: Tüdelband heißt eigentlich Faden oder Seil, und das Tüdelband aus dem Lied müsste eigentlich Trudelband heißen, ist es doch „´n iesern Band vun´n höltern Fatt“, also ein Trudelreifen. Ist als Spielzeug ein wenig aus der Mode gekommen und deshalb vielleicht nicht mehr allen präsent, aber vielleicht mag ja der eine oder andere mal seine Großeltern fragen, sofern es die noch gibt, oder das Familienalbum mit Bildern aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konsultieren. Fazit ist jedenfalls, dass sich da jemand ein bisschen vertüddelt hat bei der Namensgebung.
Aber wie es so ist mit Murphy’s Law, ein Tüddel kommt selten allein, und wenn man einmal von ihrer Existenz weiß, verfolgen sie einen überall. Kurz darauf sprach ich nämlich mit Maggy über Generationenprobleme, und sie erzählte mir von der großen Spaltung nach dem 68er-Aufbruch, „da waren die Tüddelchen Politischen und die Tüddelchen Feministinnen und so weiter, und die einen konnten mit den anderen nich, und man musste sich auf jeden Fall abgrenzen.“ Auch hier dauerte es eine Weile, bis ich begriff: Die Politischen, die Feministinnen, die Esoteriker und all die anderen hatten zumindest auf der Metaebene gemeinsam, dass sie in Anführungszeichen standen. Und Tüddelchen ist so ein heiterer Begriff auf der ansonsten eher trockenen Metaebene, da erscheinen die verhärteten Post-68er-Fronten doch gleich etwas freundlicher.
Ganz nebenbei stellt sich hier wieder die Frage der Generationenzugehörigkeit: Ist Maggy eine 68erin, weil oder obwohl sie vor allem beim Verhärten und Aufweichen der 68er-Fronten mitgewirkt hat? Bin ich eine Golferin, obwohl niemand aus meiner Familie jemals einen Golf besessen hat und ich sieben Jahre jünger bin als Florian Illies, ich aber dennoch früher Nutellabilder gesammelt und alle drei Moderatoren von „Wetten, dass?“ miterlebt habe?
Wer legt fest, wann eine Generation, die einen Namen hat, beginnt und wann sie aufhört, Mitglieder aufzunehmen? Zur Not, als eine Art Trost auch für die Angehörigen einer „Generation Garnischt“, könnten wir uns alle an einem Ort treffen: In Tüddelchen.
Dienstag, 6. Mai 2008
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen