Wer den vorvorletzten und dann diesen Eintrag hier liest, könnte den Eindruck bekommen, ich sei besessen von Verkäufern. Vielleicht bin ich das. Na, und wenn! Es sei! Andere sind besessen von Spielzeugautos oder Plüschelefanten. Und über die kann man lange nicht so viel erzählen wie ich über meine Verkäufer. Also:
Gestern hatte ich innerhalb von weniger als zwei Stunden drei sehr unterschiedliche Begegnungen mit drei sehr unterschiedlichen Verkäufern (zugegeben waren sie auch sehr verschiedene Menschen, aber ich traf sie alle im Handelsumfeld). Jede einzelne ist erzählenswert, und zusammen ergeben sie diese schöne Komödie in drei Akten:
Nach der Arbeit nutzte ich die verbleibende Zeit bis zum Monatstreffen meines Kochclubs und ging zunächst zum Optiker, weil inzwischen meine Brille meine Sehschwäche nicht mehr vollends behebt und ich wissen wollte, ob das normal ist oder ich mir Sorgen machen muss. Der Optiker, ein agiler, schicker Herr mit grauem Haar in den besten Jahren, ging gleich auf Frontalkonversationskurs mit Komplettpaket: plaudern, scherzen, kalauern und flirten. Ich bin da ja durchaus nicht zimperlich, aber da musste ich schon einiges auffahren aus meiner Profikommunikationskiste, um mitzuhalten. Ich arbeitete hauptsächlich mit der Taktik der offenen Tür, ließ ihn einfach reden mit ermunternden Kommentaren hier und da. Und so erfuhr ich einiges über ihn: Triathlet, seine letzten Wettkämpfe, Alter, Wohnort (Sankt Georg, "im Puff"), Mietpreis (seiner Wohnung, monatlich), Lieblingscafé, bevorzugter Supermarkt, Vorname seines Bruders (deckt sich mit meinem Nachnamen). Ich könnte ihn nun nach Herzenslust ausspionieren oder ihm ein Verbrechen in die Schuhe schieben (man kann nämlich Menschen besonders gut beschuldigen oder decken, wenn man möglichst viel über sie weiß, alte Ganovenweisheit). Ich überlege mir noch was. Das mit der Sehschwäche haben wir nicht so richtig beheben können, aber dafür hat er meine Brillenbügel wieder schön festgeschraubt und ich habe eine Menge gelacht, insgesamt war ich also wieder mal sehr zufrieden mit der Händlerleistung.
So beschwingt, ging ich flugs zum Rathaus-Edeka, um nur schnell Zigaretten zu kaufen. Die Zigaretten sind dort - und nur dort, so weit ich weiß - in einem Tante-Emma-ähnlichen Holzregal vor der Nase der Kassiererin gestapelt, man muss entweder vor die Nase der Kassiererin greifen und sich selbst bedienen oder sich von der guten Frau bedienen lassen. Ich sah eine Kassiererin ohne Schlange, steuerte in heiterer Optikerstimmung auf sie zu und sagte lächelnd im Plauderton: "Da komm ich doch gleich zu Ihnen, hab ja sonst nix." Und wumm, wurde ich vom Optikerhimmel auf den Boden der Tatsachen gestürzt. Die Kassierin sagte nämlich original: nichts. Und sie zeigte exakt: keine Reaktion. Sie starrte einfach nur teilnahmslos in meine Richtung. Oh, dachte ich, jetzt bloß nicht die Fassung verlieren, höflich bleiben. "Äh, ich wollte eine blaue Pall Mall, da muss ich dann mal eben so unverschämt an Ihnen vorbei greifen, oder..." Und es passierte: nichts. Sie half mir auch nicht, als die Packung nicht gleich aus ihrem Schacht herauskommen wollte, blickte mich einfach nur teilnahmslos an. "So, dreisechzig kosten die, ne?" versuchte ich es noch einmal. Nee, nix. Sie wartete auf ihr Geld. Und auch das war ihr wahrscheinlich egal, weil's ja eh nicht für sie war, sondern für Herrn Edeka. Ich sagte noch danke und tschüß, was aber wie erwartet keine Reaktion hervorrief. Oha, dachte ich, Lektion des Tages: Herr Fielmann und Frau Edeka haben sich abgesprochen und wollen mir das Prinzip von Yin und Yang beibringen. Okay, muss ich wohl noch mal nachlesen.
Begegnung Nummer drei war dann kurz vor Ladenschluss mit einer mir schon bekannten Verkäuferin in der Marktstraße, Karoviertel. Bei ihr hatte ich vor ein paar Wochen Schuhe gekauft. Die Marktstraße ist eine Art großes Wohnzimmer mit Asphaltschneise, unterteilt in kleine Parzellen voller schicker und mehr oder weniger nützlicher Dinge, wo sich Menschen aller Art treffen, unterhalten und ab und zu einer dem anderen etwas abkauft. Und über allem weht ein leichter Duft von Räucherstäbchen. Ich wollte nach dem Schockerlebnis mit Frau Edeka noch ein bisschen Konsumspaß haben und erinnerte mich an die nette Frau in dem Schuh- und Klamotten-Laden von neulich. Da war ich auch kurz vor Ladenschluss gekommen und hatte ein nettes, kommunikatives tête-à-tête mit der Besitzerin und einzigen Verkäuferin gehabt, die uns zusammen einschloss (nicht die ganze Nacht, nur bis zum fertigen Deal) und mir zwanzig Prozent Rabatt auf ein Paar Schuhe gab. Ich kam also wieder rein, wir begrüßten einander sehr freundlich, und ich stellte gleich meine Sachen ab und zog die Jacke aus, wusste ja, dass es gemütlich wird. Ich glaube nicht, dass sie sich an mich erinnerte, aber sie war trotzdem sehr nett, und wahre Gefühle sind mir in solchen Fällen egal, ich will nur gut bedient werden.
Sie hatte gerade neue Ware bekommen und packte einen großen Karton aus, wobei sie sich über dessen Bauart amüsierte, er war nämlich eine Art Kleiderschrank, mit Stange und aufgehängten Klamotten drin. Ich probierte den einen oder anderen Schuh an, aber ohne rechte Überzeugung. Bei unseren Tätigkeiten plauderten wir ein bisschen. Einmal kamen ein paar Mädels rein, aber das waren keine richtigen Kundinnen, sie interessierten uns nicht weiter und gingen auch nach einer Ladendurchquerung gleich wieder. Und wir waren wieder schön unter uns, meine Verkäuferin und ich. Allerdings war die Rollenverteilung an diesem Tag etwas anders, wie sich bald herausstellte. Ich fand nämlich nicht so recht den Schuh, der meinen Vorstellungen entsprach. Dafür war sie aber ganz begeistert von einer Jacke, die mit der neuen Lieferung gekommen war. Und die stand ihr auch ganz wunderbar, sagte ich ihr. Ich war selbst interessiert an der Jacke und probierte sie an, aber sie spannte etwas zu sehr über meinem Busen. Trotzdem guckte meine Verkäuferin für mich nach, was sie kostete. Zu teuer, dachte ich gleich. Schade. Aber ich blieb trotzdem noch ein bisschen, es war grad so nett und meine Verkäuferin wollte noch ein paar Sachen anprobieren. Als nächstes zog sie die gleiche Jacke in grau an, „das ist aber nicht so deine Farbe“, gab ich zu bedenken. „Stimmt, hab ich auch schon öfter gemerkt, bei meiner Freundin ist das ganz anders, die kann sich vollkommen in Grau kleiden und sieht toll aus, aber ich brauch immer so kräftige Farben.“ Lieber zog sie dann noch den passenden Rock zur Jacke an. „Bohr, der steht dir auch super“, fand ich. Sie mochte auch das Oberteil, das ich gerade trug und ließ sich davon zur Anprobe eines ähnlichen Stücks aus der neuen Kollektion inspirieren. „Aber ich glaub’, mein Stil ist das nicht so, du bist da eher der Typ für“, zweifelte sie vorm Spiegel. „Naja, stimmt schon, das ist ein bisschen zu mädchenhaft für dich“, pflichtete ich ihr bei. „Ich bin die Jacke, oder?“ – „Du bist die Jacke, eindeutig. Die in schwarz. Und ich glaub’, die kaufst du auch.“ Da waren wir uns beide einig, und wir waren nun auch beide sehr zufrieden – sie wegen ihrer schönen neuen Jacke und ich, weil sie ihr so gut stand und ich sie so gut beraten hatte. Sie lud mich dann noch zu einer Neueröffnung ein und gab mir mit auf den Weg, ich sollte doch immer mal wieder reinschauen, sie bekäme auch immer wieder neue Schuhe. Klar, mach ich sowieso.
Mittwoch, 17. September 2008
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