Montag, 21. April 2008

In einem Tag erwachsen

Das hier Berichtete liegt nun auch schon wieder eine Woche zurück; es geschah vergangenen Montag, an meinem Hamburg-Montag, dieser (der heutige) Montag war wieder ein Köln-Montag (genauer gesagt war er ein Köln-Aachen-Münster-Hamburg-Montag, aber das ist eine andere Geschichte). Aber das Ergebnis der zu berichtenden Ereignisse hat nicht an Aktualität verloren, umso weniger, da es eine dauerhafte Veränderung in meinem Leben darstellt: Letzten Montag wurde ich erwachsen.
Nun könnte man denken, ich sei auf die Idee zu diesem Eintrag gekommen, weil Matthias Kalle das Thema im aktuellen Zeit Magazin behandelt (schöner Artikel übrigens, wenn ich auch nie so genau weiß, ob ich nun zu Kalles vielbeschworener Generation gehöre oder nicht, er ist vier Jahre älter als ich und Florian Illies ja noch mal drei Jahre älter. Den vier Jahre Jüngeren habe ich mich allerdings bisher selten verbunden gefühlt und den sieben Jahre Jüngeren noch seltener). Aber, verehrtes Publikum, ich versichere Ihnen: Die Idee hatte ich schon letzten Montag. Nur wie üblich bisher keine Zeit, sie aufzuschreiben (nein, keine Angst, es kommt nicht schon wieder ein Eintrag über die vermaledeite Zeit, sie spielt hier nur eine ganz kleine Nebenrolle). Und das Thema bekommt natürlich bei mir eine ganz andere Note, Blogthemen sind wie Wundertüten, meistens ist was drin, was man überhaupt nicht erwartet (und auch nicht will).
Es begab sich also zu jener Zeit, dass ich den Corolla endlich auf mich anmelden wollte. Bisher gehörte er ja quasi noch Papa. Und da mein Leben inzwischen einen merkbaren Fokus in Hamburg hat, hatte ich beschlossen, das Auto gleich mit seiner neuen Identität dort zu verankern. Ich war bestens auf dieses Unternehmen vorbreitet, da ich erst zwei Wochen zuvor beim TÜV Hanse, Prüfstelle Hamburg-Harburg, gewesen war und der nette Tüvdoktor den Corolla ganz ohne Bohren und ohne Verordnung behandelt und entlassen hatte. In der Zwischenzeit hatte ich in mühsamer Kommunikationsarbeit alle für die Ummeldung nötigen Papiere zusammengesucht und besorgt.
Ich also mit dem Corolla wieder zum TÜV Hanse, Prüfstelle HH-Süd, wir kennen den Weg ja schon, der Corolla macht auch gar keine Probleme, sondern brav draußen Platz. Ich gehe ganz professionell rein, lasse mir durch nichts anmerken, dass ich Behördengänge hasse und von Autos keine Ahnung habe, und ziehe wie im Vorbeigehen eine Wartenummer. 517, gerade dran ist 468. Das kann dann wohl dauern. Prompt lasse ich mich mit meinem Gesicht der Orientierungslosen von dem ADAC-Vertreter anquatschen, einem recht alten Herren, er macht das entweder aus ehrenamtlicher Leidenschaft oder weil die Rente nicht reicht und er sich noch was dazuverdienen muss. Von mir aus könnten wir das Ganze in zwei Minuten hinter uns bringen, ich will ja die Mitgliedschaft, und zwar den Standard für Normalverbraucher und Unverheiratete. Aber er will unbedingt das große Programm abspielen, bisschen den Kunden hofieren, bisschen Nähe schaffen natürlich, immer wieder mal einen Schwank aus dem eigenen Leben erzählen, beiläufig natürlich seine Firma preisen. Ich lasse ihm den Spaß, solange es meine Geduld zulässt, werde aber zunehmend einsilbiger. Komm, gib her den Scheiß und den Kuli dazu, will ich ihm sagen, beherrsche mich aber. Und er stockt dann wohl auch, weil er nicht so recht zu wissen scheint, in welche Bevölkerungsgruppe er mich einordnen soll. Taktik ist ja, das habe ich an mehreren Beispielen vergleichbarer Art erfahren, Frauen in meinem Alter erst mal (zumindest der potenziellen Kundin gegenüber) als verheiratet einzuschätzen. Oder das liegt einfach an meiner unglaublich seriösen Art, ich seh wohl doch eher spießig aus (womit ich nicht unbedingt sagen möchte, dass ich heiraten spießig finde). Ich verneine diesen Zivilstand, und dann druckst er doch tatsächlich rum bei der Frage, ob’s bei mir – das heißt von mir – Kinder über 17 Jahre gibt. Nachdem wir auch in diesem Punkt die Fakten geklärt haben, kann ich dann endlich bald mit meiner provisorischen Mitgliedskarte abdampfen, nicht ohne mir voher ausführliche Erläuterungen zu deren Funktion und Verwendungsweise anzuhören. Gut, denke ich, so ist wenigstens schon ein Teil der Wartezeit um und ich kann mich endlich setzen. So. Nun bin ich also schon mal ADAC-Mitglied. Und das als ÖPNV-Spezialistin, die lange Zeit ziemlich überzeugt war, ein Auto ebenso wenig jemals zu besitzen wie einen Fernseher.
Das Warten beginnt also. Endlich schaffe ich es mal, die Zeitung intensiv zu lesen, ich komme fast ganz durch den Politikteil. Ich bin also gar nicht so genervt wie einige Leute, die sich über die lange Wartezeit beschweren, war ja darauf eingestellt. Nach zwei Stunden tut mir allerdings doch der Hintern weh. Und ich komme dran! Ich lege stolz all meine Papiere auf den Tisch und sage ganz genau, was ich will, denn das weiß ich. Der Mann guckt sich zuerst meinen Ausweis an und fragt: „Und wo wohnen Sie?“ – „In Hamburg“. – „Aber nicht mit Hauptwohnsitz.“ – „Nein, ich habe zwei Wohnsitze.“- „Sie können den Wagen aber nur da anmelden, wo Sie Ihren Hauptwohnsitz haben.“ Mir fällt erst mal die Kinnlade runter, und einen Moment lang will das Kind in mir weinen. Ich hab doch hier wohl nicht zwei Stunden gewartet, um unverrichteter Dinge wieder abzuziehen und die Ummeldung auf den Sankt-Nimmerleinstag zu verschieben?! Es ist schon Nachmittag, ich glaube nicht, dass ich es schaffe, mich jetzt umzumelden, um dann noch am selben Tag mein Auto ummelden zu können. Und ich habe doch nur alle 2 Wochen einen freien Hamburg-Montag! Aber nur kurz dauert der Moment der Resignation, dann erhebt sich der Sysiphos in mir wieder trotzig, überzeugt, dass er das Unmögliche schaffen kann. Entschlossen stehe ich also auf, laufe im Eilschritt raus auf den Parkplatz, über mir der sich von schweren Wolken verdunkelnde Himmel. „Corolla, wir müssen los, es geht ums Ganze!“, rufe ich meinem Ross zu, springe im Grätsch von hinten in den Sattel, und der Corolla bäumt sich feurig und wiehert stolz den aufziehenden Unbillen des Himmels entgegen. Und los geht’s im Galopp, über das kleine Stück Autobahn, den Hügel zu unserem Anwesen hinauf, denn von meinem letzten Meldetag auf dem Harburger Amt (ist ja nicht so, dass ich da nicht auch schon gewesen wäre) weiß ich, dass man den Mietvertrag braucht, den ich natürlich erst holen muss. Daheim angekommen, fliege ich die Stufen zu meinem Zimmer hinauf, schiebe mir unterwegs einige Löffel Joghurt rein, jetzt bloß nicht die Kontrolle an Nebensächliches wie den Genossen Hunger verlieren! Papiere geschnappt, wieder runter und rauf aufs Ross, zum Rathaus! Die Parkplatzsuche ist nicht einfach, aber die Not der Lage verleiht meinem richtigen Riecher Flügel und ich finde recht schnell was, wenn auch ziemlich weit weg vom Amt. Als ich dort ankomme, bleiben noch 45 Minuten, bis sie schließen. Und eine Stunde später schließt der TÜV Hanse. Okay mann, ich nehme die Herausforderung an! Ich eile zum Infoschalter und sage ganz schnell ganz genau, was ich will, denn das weiß ich; da müssen Sie das und das ausfüllen, eine Nummer ziehen und da warten, weiß ich, mach ich, kenn ich doch schon, setze mich – in einen leeren Warteraum. Das gibt’s doch nicht! He, Welt da draußen, warum ersparst du dir nicht alle Wartezeiten, indem du einfach Behördengänge nachmittags machst?

Der Eintrag ist ziemlich lang geraten, Euch und mir zuliebe wird der Rest erst morgen veröffentlicht. Ist das nicht toll, der erste Fortsetzungspost bei Septentryo?

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