Am Dienstag war ich wieder im St. Pauli-Theater, wo ich drei Wochen zuvor schon "Der Gott des Gemetzels" von Yasmina Reza mit der wunderbaren Anne Weber (von der ich vorher noch nie gehört hatte) als Annette gesehen hatte. Superstück; die Schlussszene, in der Anne Weber die Tulpen der Gastgeber zermetzelt, ist grandios.
Diesen Dienstag - und nur dann - las Yasmina Reza aus ihrem Buch über Sarkozys Wahlkampf, oder besser aus dem Buch, das sie während Sarkozys Wahlkampf als seine Begleiterin geschrieben hat. Haptsächlich las eigentlich Anne Weber aus der deutschen Fassung, aber Reza war da und hat auch am Schluss ein bisschen gelesen, und ein netter und kluger deutscher Literaturprof von der Sorbonne hat moderiert und viele angenehme Scherze gemacht. Ich hatte einen schönen Platz in der fünften Reihe und neben mir sogar einen Sitz frei zum Jackeablegen. Somit 1,50 für die Garderobe gespart. Nettes Theater, mein Schatz.
Yasmina also war wunderbar, ich fand sie richtig klasse. So ehrlich, ganz ohne Schnörkel und vollkommen sie selbst. Und es war gut, dass ich sie dort gesehen und vor allem gehört habe, denn vorher hatte ich ein Interview mit ihr im Spiegel gelesen, in dem sie sich partout weigerte, irgend etwas Wertendes über Sarkozy und seine Allüren seit dem Amtsantritt zu sagen. Der Reporter hatte auch etwas unschön gefragt, ob sie angesichts des öffentlich gekochten Kessel Buntes aus Sarkozys Privatleben "überrascht" gewesen sei. Woraufhin sie erklärte hatte, durchaus nicht zu einer Spezialistin der Person des Präsidenten geworden zu sein und sich zu derlei Dingen nicht äußern zu können. Ich dachte dabei, gut, schon blöd, dass es doch immer wieder in die Regenbogenrichtung geht (aber so was will ja der Leser auch immer ein bisschen, schließlich steckt in jedem von uns ein kleiner Voyeur), so ausgelutscht das Thema Bruni und Folgen auch inzwischen sein mag, aber dass sie sich so völlig jeder Aussage verweigert, fand ich doch krass.
Nachdem ich dann aber einige Passagen aus dem Buch gehört und Reza auf der Bühne erlebt hatte, wurde mir klar, dass sie gar nicht richtiger hätte antworten können. Sie äußert sich als Schriftstellerin über eine ihrer literarischen Figuren, und nichts sonst. Darin ist sie sehr klug und damit bleibt sie immer auf ihrem Niveau und bei ihren Leisten. Und dann kam doch bei der kurzen Diskussionsrunde am Schluss tatsächlich die Frage aus dem Publikum: "Hat sie das überrascht nach der Wahl mit seiner Scheidung, den Frauen und so?" Und ich denke, ich höre nicht richtig. Schon wieder dieses "überrascht". Hat die den Spiegel gelesen oder ist "Waren Sie überrascht?" die neue (oder aber auch gar nicht neue) Camouflagefrage für "Wissen Sie da noch was drüber, so ein paar Details, bitte!?" Was sollte sie daran überraschen? Und was ist so interessant daran, ob sie überrascht war oder nicht? Wollen Sie wirklich wissen, ob sie überrascht war? Hat es SIE nicht eher überrascht, dass der Präsident der Republik Frankreich so mir nichts, dir nichts halbseidene Waffengeschäfte mit despotischen Staatschefs machen kann, Madame?
Aus dem Publikum kam dann auch ein empörtes Raunen, und Yasminas Antwort war die gleiche wie im Interview, fast schien's mir wie ein déjà-vu. Und ich dachte, sehr gut, Hamburger Publikum, sehr gut, Yasmina, gebt Voyeuren keine Chance. Denn der Voyeur in uns ist der beste Freund des Schweinehunds.
Donnerstag, 3. April 2008
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2 Kommentare:
Ich war in der Kölner Inszenierung, die ebenso gut war ! Auch wenn es die beiden Möchtegern - Künstler neben mir sehr "bürgerlich" fanden.
Naja, jedenfalls hab ich jetzt Lust auf Geschnetzeltes. Warum nur ?
Was weiß man schon ?
omacapetown
Wahrscheinlich ist Deine Lust auf Geschnetzeltes Dein Teil Bürgerlichkeit, nicht zuletzt aber auch dem extrem fleischlichen Titel des Stückes geschuldet. Ich hoffe jedenfalls, Du hast Dein Fleisch bekommen.
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