...da lass dich ruhig nieder. Zum Beispiel in einem kleinen Haus im Süden Hamburgs. Zu dieser besonderen Art von Gesprächen später; sie sind Teil meiner kleinen privaten Ode an Hamburg, die ich schon jetzt, vielleicht etwas verfrüht, verfassen kann und möchte. Denn die Tage ziehen ins Land, und vor dem Trinken um den Verstand blogge ich doch besser weiter! Was für ein Riesenzeitintervall zum letzten Eintrag entstanden ist, furchtbar! Nun denn, niemand soll länger im Geiste darben:
Diese Stadt ist noch viel schöner, als ich erwartet hatte. Gut, die Bahnfahrten zu Stoßzeiten sind hart, vor allem spätabends, wenn schon die temporäre Bevölkerung des Harburger Bahnhofs von nichts Gutem kündet. Harburg, rette Deine Jugend! Nimm ihr Haargel, Handy und auf der Kopfspitze getragene Schirmmützen weg und lass sie sich nur noch unter Lindenalleen zur literarischen tertulia treffen. Dann wird insgesamt alles gut.
Aber die Fahrt dann über die Süderelbe, die noch wie im Winterschlaf daliegt mit kleinen, verlassenen Booten und stillen Wiesen, vorbei an Elbkanalinseln und Frachthafen, wo sich erst die Lastkräne und dann Hamburgs Kirchen gegen den Himmel abzeichnen, ich kenne die großen schon fast alle, den Michel, St. Nikolai, St. Petri, St. Jacobi, die Katharinenkirche - die soll jetzt wieder Hauptkirche der Speicherstadtgemeinde werden. Und überhaupt die Speicherstadt! Da bin ich schon ausgiebig spazieren gegangen und war im afghanischen Museum an einem Montag, da haben alle anderen Museen zu. Nach fünf Minuten war ich der einzige Besucher, es ist ein privates Museum, das natürlich ein Afghane aufgebaut hat. Ein sehr alter Mann ist dort Kassenwart und erinnert mich freundlich daran, dass ich erst mal eine Tasse Tee trinken darf. Eine Burka hängt dort zum Probeanziehen, habe ich auch gemacht. Die Sicht ist schon eingeschränkt unter dem Gitter. Und ich hatte natürlich wenige Wochen zuvor Der Drachenläufer gesehen. Da kann man nur denken, auf nach Afghanistan, aber bitte zeitmaschinell vor die Taliban und die Russen gebeamt, ich will einfach die wilden Reiter sehen, unter den Buddhas wandeln und abends mit den linken Intellektuellen feiern.
Das ganze Hafenviertel macht die Stadt für mich zu einem wahren Königspflaster, ich gehe von den Landungsbrücken zur Speicherstadt, scharfer Wind in meinen Haaren, vorbei an den Museumsschiffen, und ich spüre die Auswanderernostalgie und den Stolz der Hansehändler unter meinen Füßen pochen. Dazu dieses diffuse Gefühl von Freiheit und Fernweh, das das offene Wasser weckt. Gut, ich bin auch ganz schön nostalgisch veranlagt. Aber tatsächlich bin ich eher ein Wasser- als ein Bergtyp, wenn wir zwischen diesen beiden Neigungen eine Einteilung machen. Hamburg jedenfalls will ich ganz und gar in mir aufnehmen und freue mich auf jede Gelegenheit dazu und alles, was es noch zu entdecken gibt.
Und nach jedem langen Tag freue ich mich auf die Heimkehr in meine kleine Stadtrandidylle. Auf Gialla, den humpelnden Hund, der immer brav anschlägt, wenn jemand kommt. Auf das hübsche kleine Häuschen mit den knarzenden Dielen, den schiefen Holztüren und dem verschlafenen Garten. Und auf Maggy, die wie ich gern mit Tieren und Dingen redet. "Hab ich dir eigentlich schon Tamara vorgestellt", fragte sie mich zum Beispiel neulich, wobei sie Támara sagte, como la Casa de Trastámara, "unsere freundliche Gartenhilfe". Und dabei ging sie zu dem metallenen Mädchen mit dem lächelnden Gesicht, das im Garten steht und in einem kleinen Eimer vor dem Bauch die Schaufeln und Harken hält. "Aber Tamara is n bisschen behindert, die hat nur ein Bein", und dabei wackelte sie an Tamara, um mir zu zeigen, wie sie umfällt. "So, komm Tamara, jetzt steh mal wieder!". Und zu Gialla sagte sie, nachdem wir über den nötigen Hausputz und andere anstehende Aktivitäten gesprochen hatten: "So Gialli, dann wolln wer ma ein' auf hübsch machen!"
Ich finde das wunderbar. Ich bin ja sehr dafür, mit allem zu reden, ob es nun wirkliche Gesprächspartner (aber was ist schon wirklich), die Dinge in unserer Umgebung, Tiere oder wir selbst sind. Mit unserer Katze führe ich zum Beispiel ganz normale Gespräche. Ich bin absolut gegen Baby- und Tiersprech, jedes Ding und jedes Wesen verdient vernünftig angesprochen zu werden. Zu den dunklen Socken, die sich in die helle Wäsche geschlichen haben, sage ich dann auch ganz sachlich: "Ihr doch nicht". Zu mir selbst sage ich, wenn ich mich mal wieder irgendwo verfahren habe und den richtigen Weg doch eigentlich hätte wissen müssen, "Es kann - nicht - wahr sein. Wie kann man so doof sein?!". Und zu Hamburg sage ich, wenn ich an seiner Elbpromenade entlanglaufe und mich fühle wie ein junger Reedergott, "herrlich".
Samstag, 22. März 2008
Freitag, 21. März 2008
Keinzeit
Jaaa, ihr habt's gemerkt, wir erscheinen in neuem Design. Irgendwie erschien mir das zeitgemäßer und es außerdem an der Zeit für eine Veränderung wenigstens auf optischer Ebene. Das Dumme ist nur, dass ich Zeit für einen ordentlichen Eintrag gerade gar nicht habe. Hilfe, so viele Themen im Kopf, so viele Kilometer unter den Füßen und so viele Aktivitäten vor der Nase!
Ostern verbringe ich hier im schönen Kölle, und da wollen Hausarbeiten korrigiert, Freund und Katze geliebt, Mutter und Vater besucht und Gäste im Kuen bezapft werden (ja, ich kann's nicht lassen, ist aber nur für zwei Stunden). Vielleicht brauche ich speziell die nächtliche Kühle und Frische des Nordens, um gescheit bloggen zu können. Ich werde aber versuchen, das auch hier in der gar nicht so warmen Kölner Bucht hinzukriegen. An einem der nächsten Tage. Bis dahin sei euch folgendes Gedankenspiel mit auf den Weg gegeben:
Ottos Mops modelt. Otto: "Find' ich gut!"
Ostern verbringe ich hier im schönen Kölle, und da wollen Hausarbeiten korrigiert, Freund und Katze geliebt, Mutter und Vater besucht und Gäste im Kuen bezapft werden (ja, ich kann's nicht lassen, ist aber nur für zwei Stunden). Vielleicht brauche ich speziell die nächtliche Kühle und Frische des Nordens, um gescheit bloggen zu können. Ich werde aber versuchen, das auch hier in der gar nicht so warmen Kölner Bucht hinzukriegen. An einem der nächsten Tage. Bis dahin sei euch folgendes Gedankenspiel mit auf den Weg gegeben:
Ottos Mops modelt. Otto: "Find' ich gut!"
Montag, 17. März 2008
22 Minuten Effizienz
Also, vorab muss ich ja mal anmerken, dass auf Deutschlandradio Kultur gerade New Model Army läuft, die alten Schinken. Das passt doch gar nicht in deren Konzept. Na, egal. Die machen gerade ein ganzes Feature über NMA. Komisch.
Mannomann, jetzt muss ich mich aber ranhalten. Das ganze Wochenende Blogabstinenz, ich hab so viele Themen und es ist schon wieder spät. Die Tage sind einfach zu kurz hier in Hamburg. Warum, werde ich gleich näher erläutern. Und im Anschluss gibt es vielleicht noch ein zweites Thema, wenn ich das körperlich und nervlich heute noch schaffe. In jedem Fall wird es hier und heute verstärkt um die Stadt Hamburg gehen. Um ihr spezielles Raum-Zeit-Kontinuum.
22 Minuten können in einer Stadt von der Größe Hamburgs alles bedeuten. Sie können den Verlauf eines Abends bestimmen. In meinem Fall haben sie das heute getan.
Wegen der Ostertage haben die Wochenmagazine diese Woche verkürzte Produktionszeit, so auch meins. Deshalb musste ich heute außer der Reihe arbeiten. Trotzdem war es ja wieder Zeit für mein wöchentliches Probetraining; ich hatte mir auch schon was ausgeguckt, war aber nicht weitsichtig genug gewesen, meine Karatesachen schon mit zur Arbeit zu nehmen. Durch einen ausgedehnten Kaffee mit netten Kolleginnen war es dort etwas später geworden. Ich dachte, wenn ich um fünf losfahre, schaffe ich's bis sieben zum Training in Eimsbüttel - von Harburg aus gesehen ist das am anderen Ende der Stadt. Leider war es aber schon 17 Uhr 22, als ich das Büro verließ. Ui, dachte ich, jetzt aber schnell! Das schaffe ich noch! Ich will Karate! Und dann habe ich die höchste auf zwei Stunden verteilte Sprintfrequenz meines bisherigen Lebens hingelegt. Ich kann das recht genau nachzeichnen: Vom Büro zur U1 gerannt, gewartet, zum Hauptbahnhof gefahren. 6 Minuten insgesamt. Dann durch den Hauptbahnhof gerannt, eine sehr schwierige Strecke, man kommt einfach nicht vorwärts bei den vielen Menschen. Dass ich Stiefel mit Absätzen trug, erwähne ich nur am Rande. S3 nach Harburg, 15 Minuten. Dann die vielen, vielen Stufen (voller Menschen) hoch aus dem Harburger Bahnhof raus zum Bus, der natürlich proppenvoll war. Nochmal 8 Minuten Busfahrt, und der Kerl kommt einfach nicht aus dem Bahnhof raus, kann das denn so ewig dauern? Nach Hause gerannt (3-4 Minuten), die Stufen hoch in mein Zimmer, Sachen aus dem Schrank gezerrt, in den Rucksack geschmissen, Rock gegen Hose, Stiefel mit Absatz gegen die ohne Absatz und Brille gegen Kontaktlinsen getauscht (5-6 Minuten), in aller Hast das Fahrrad aus der Garage geholt, damit bin ich schneller, wenn nicht gerade genau ein Bus kommt. Das Fahrrad fällt aber leider immer um, wenn ich es vor der Garage abstelle, weiß nicht warum. Und von dem Garagentor wird man im Rausgehen immer erschlagen, wenn man nicht aufpasst. Da muss man also auf Vieles gleichzeitig achten. Ich also losgedüst, Bus fährt an mir vorbei, während ich noch darauf warte, die dämliche Winsener Straße überqueren zu können. Diese Straße macht mich kirre, es ist die Nord-Süd-Ausfallschneise Hamburg-Lüneburg, auch wenn sie gar nicht so groß aussieht. Jedenfalls kommt man da einfach nicht rüber, schon gar nicht zu Berufsverkehrszeiten. Endlich rase ich los, den Hügel runter, dem Bus hinterher. Im Vorbeifahren sehe ich auf der elektronischen Anzeige, dass da in 2 Minuten schon wieder ein Bus kommt. Blitzschnell kalkuliere ich das mögliche Zeiteffizienzmaximum, rase zur nächsten Haltestelle, schließe das Fahrrad dort an, um doch den Bus zu nehmen, zum Bahnhof geht's nämlich bergauf, da ist der schneller. Das Schloss will aber natürlich nicht so wie ich in der Eile, da kommt schon der Bus und ich fummle immer noch, ich schreie das Schloss an, "MANN!!" Ich reiße einfach den Schlüssel raus, keine Ahnung, ob es abgeschlossen ist, und hechte in den Bus. Wieder proppenvoll, wieder zermürbend langsam, ich schwitze, es sind nur 2 Stationen. Dann wieder raus aus dem Bus, die Stufen runter im Sprint, da steht die S31 abfahrbereit, kann ich die nehmen, ich muss doch am Jungfernstieg umsteigen, doch geht alles klar rein. Und dann fährt der Hammel erst mal schön gemütlich wie zur Elbkreuzfahrt, ich werde gleich wahnsinnig. Wirklich, ich fühle den Wahnsinn an meiner Gehirnwand nagen. Das Blöde ist auch, dass ich nicht genau weiß, wo ich hin muss. Weiß nur die Haltestelle und den Namen der Schule, sollte reichen, aber bei der Zeitknappheit... Wieder am Hauptbahnhof renne ich zur U2, das ist die rote, durch die Menschenmassen und quer durch den Bahnhof. Die U2 kommt auch gleich, weiter weiter, am Schlump raus, jetzt nur noch eine Haltestelle mit dem Bus, hat man mir gesagt, aber der Schlump(f) ist groß, ich finde so schnell die Bushaltestelle nicht, es ist acht vor sieben! Dann sehe ich doch den blöden Bus von hinten, zu spät, ich renne einfach hinterher, ist ja eh nur eine Station. Zwischendurch frage ich immer mal wieder Menschen nach der Bundesstraße und der Astrid-Lindgren-Schule, bin aber immer zu ungeduldig, ihre Antworten bis zum Ende abzuwarten und renne jedesmal schon weiter, bevor sie ausgeredet haben, sie wissen es eh alle nicht. Ja, und dann finde ich doch diese bekloppte Schule nicht. Da sind überall Schulen, und ich bin in der richtigen Straße, aber die Astrid-Lindgren-Schule kennt kein Schwein. Alles Scheißzugezogene. Und ich finde kein Tor und keine Turnhalle, wo ich rein könnte. Ich rüttle, ich renne, ich suche. Aber der Scheißschlumpf will mir einfach nicht preisgeben, wo er Astrid Lindgren versteckt hält. Um zwanzig nach sieben gebe ich auf. Ist jetzt eh viel zu spät, so kann man nicht zum Probetraining reinplatzen. Ich fahre also wieder zurück, den ganzen Scheißweg, diesmal nicht hektisch, sondern resigniert. Steige in Harburg eine Haltestelle vorher aus, mein Rad ist noch da, sogar abgeschlossen. Zum ersten Mal schaffe ich es, die Anhöhe bis zu unserem Haus voll durchzustrampeln. Ohne Gangschaltung.
Resümieren wir also: Weil ich 22 Minuten zu spät aufgehört habe zu arbeiten (sicher, diese Minuten waren nicht der einzige Grund, aber hätte ich sie gehabt, wäre vielleicht auch mein Kopf klarer gewesen für die Suche) bin ich insgesamt fast drei Stunden (als ich nach Hause komme, ist es kurz nach acht) ohne Ergebnis durch Hamburg gefahren und gerannt. Ich habe dabei Bewegung gehabt, die wollte ich. Meine größten Hindernisse waren die vielen Menschen um mich herum (gefühlt) und meine lückenhafte Ortskenntnis (real). In diesen drei Stunden hätte ich viele andere Dinge tun können: lesen, schreiben, essen, telefonieren, sogar ins Kino gehen, ich hätte einen ganzen Film sehen können! Oder endlich mal früh ins Bett gehen. Stattdessen habe ich bei null Effizienz und maximalem Aufwand zero Gewinn erzielt.
Ich bin ein ungeduldiger Mensch; passend zu meiner Generation der multitaskfähigen dauergestressten Niemalsraster möchte ich meine Zeit wenn möglich optimal nutzen. Leider schaffe ich das praktisch nie (ich weiß, es gibt jede Menge Seminare in Wort, Bild und Schrift zur Optimierung von Zeitmanagement). Manchmal ärgert mich das, ich sehe dann einfach meine Energie sinnlos im Raum verpuffen (und hier im Norden ist meine Energie seltsam gesteigert). Und doch: Eigentlich - im Geiste und im Herzen - bin ich auch Freund der Muße, der Zeit als Geschenk, das man nicht nutzt, sondern an dem man sich erfreut. Am besten kann ich nach diesem Prinzip der Muße leben, wenn ich weit weg von meiner Alltags- und Arbeitsumgebung, sprich auf Reisen bin. Also wundert Euch nicht, wenn ich weiter reise!
Außerdem: Dieses Hamburg ist einfach verdammt groß, das nervt. Und dieses Harburg ist nicht nur op de schääl Sick, sondern auch verdammt weit weg, ewig kann ich hier nicht wohnen, will gar nicht erst die vergeudete Zeit zusammenrechnen! Aber:
Hamburg ist so wunderschön und ich wohne paradiesisch!
Das wird das nächste Thema. Aber heute nicht mehr, Mitternacht naht und ich muss immer meine irre lange Einschlafphase einkalkuieren.
Mannomann, jetzt muss ich mich aber ranhalten. Das ganze Wochenende Blogabstinenz, ich hab so viele Themen und es ist schon wieder spät. Die Tage sind einfach zu kurz hier in Hamburg. Warum, werde ich gleich näher erläutern. Und im Anschluss gibt es vielleicht noch ein zweites Thema, wenn ich das körperlich und nervlich heute noch schaffe. In jedem Fall wird es hier und heute verstärkt um die Stadt Hamburg gehen. Um ihr spezielles Raum-Zeit-Kontinuum.
22 Minuten können in einer Stadt von der Größe Hamburgs alles bedeuten. Sie können den Verlauf eines Abends bestimmen. In meinem Fall haben sie das heute getan.
Wegen der Ostertage haben die Wochenmagazine diese Woche verkürzte Produktionszeit, so auch meins. Deshalb musste ich heute außer der Reihe arbeiten. Trotzdem war es ja wieder Zeit für mein wöchentliches Probetraining; ich hatte mir auch schon was ausgeguckt, war aber nicht weitsichtig genug gewesen, meine Karatesachen schon mit zur Arbeit zu nehmen. Durch einen ausgedehnten Kaffee mit netten Kolleginnen war es dort etwas später geworden. Ich dachte, wenn ich um fünf losfahre, schaffe ich's bis sieben zum Training in Eimsbüttel - von Harburg aus gesehen ist das am anderen Ende der Stadt. Leider war es aber schon 17 Uhr 22, als ich das Büro verließ. Ui, dachte ich, jetzt aber schnell! Das schaffe ich noch! Ich will Karate! Und dann habe ich die höchste auf zwei Stunden verteilte Sprintfrequenz meines bisherigen Lebens hingelegt. Ich kann das recht genau nachzeichnen: Vom Büro zur U1 gerannt, gewartet, zum Hauptbahnhof gefahren. 6 Minuten insgesamt. Dann durch den Hauptbahnhof gerannt, eine sehr schwierige Strecke, man kommt einfach nicht vorwärts bei den vielen Menschen. Dass ich Stiefel mit Absätzen trug, erwähne ich nur am Rande. S3 nach Harburg, 15 Minuten. Dann die vielen, vielen Stufen (voller Menschen) hoch aus dem Harburger Bahnhof raus zum Bus, der natürlich proppenvoll war. Nochmal 8 Minuten Busfahrt, und der Kerl kommt einfach nicht aus dem Bahnhof raus, kann das denn so ewig dauern? Nach Hause gerannt (3-4 Minuten), die Stufen hoch in mein Zimmer, Sachen aus dem Schrank gezerrt, in den Rucksack geschmissen, Rock gegen Hose, Stiefel mit Absatz gegen die ohne Absatz und Brille gegen Kontaktlinsen getauscht (5-6 Minuten), in aller Hast das Fahrrad aus der Garage geholt, damit bin ich schneller, wenn nicht gerade genau ein Bus kommt. Das Fahrrad fällt aber leider immer um, wenn ich es vor der Garage abstelle, weiß nicht warum. Und von dem Garagentor wird man im Rausgehen immer erschlagen, wenn man nicht aufpasst. Da muss man also auf Vieles gleichzeitig achten. Ich also losgedüst, Bus fährt an mir vorbei, während ich noch darauf warte, die dämliche Winsener Straße überqueren zu können. Diese Straße macht mich kirre, es ist die Nord-Süd-Ausfallschneise Hamburg-Lüneburg, auch wenn sie gar nicht so groß aussieht. Jedenfalls kommt man da einfach nicht rüber, schon gar nicht zu Berufsverkehrszeiten. Endlich rase ich los, den Hügel runter, dem Bus hinterher. Im Vorbeifahren sehe ich auf der elektronischen Anzeige, dass da in 2 Minuten schon wieder ein Bus kommt. Blitzschnell kalkuliere ich das mögliche Zeiteffizienzmaximum, rase zur nächsten Haltestelle, schließe das Fahrrad dort an, um doch den Bus zu nehmen, zum Bahnhof geht's nämlich bergauf, da ist der schneller. Das Schloss will aber natürlich nicht so wie ich in der Eile, da kommt schon der Bus und ich fummle immer noch, ich schreie das Schloss an, "MANN!!" Ich reiße einfach den Schlüssel raus, keine Ahnung, ob es abgeschlossen ist, und hechte in den Bus. Wieder proppenvoll, wieder zermürbend langsam, ich schwitze, es sind nur 2 Stationen. Dann wieder raus aus dem Bus, die Stufen runter im Sprint, da steht die S31 abfahrbereit, kann ich die nehmen, ich muss doch am Jungfernstieg umsteigen, doch geht alles klar rein. Und dann fährt der Hammel erst mal schön gemütlich wie zur Elbkreuzfahrt, ich werde gleich wahnsinnig. Wirklich, ich fühle den Wahnsinn an meiner Gehirnwand nagen. Das Blöde ist auch, dass ich nicht genau weiß, wo ich hin muss. Weiß nur die Haltestelle und den Namen der Schule, sollte reichen, aber bei der Zeitknappheit... Wieder am Hauptbahnhof renne ich zur U2, das ist die rote, durch die Menschenmassen und quer durch den Bahnhof. Die U2 kommt auch gleich, weiter weiter, am Schlump raus, jetzt nur noch eine Haltestelle mit dem Bus, hat man mir gesagt, aber der Schlump(f) ist groß, ich finde so schnell die Bushaltestelle nicht, es ist acht vor sieben! Dann sehe ich doch den blöden Bus von hinten, zu spät, ich renne einfach hinterher, ist ja eh nur eine Station. Zwischendurch frage ich immer mal wieder Menschen nach der Bundesstraße und der Astrid-Lindgren-Schule, bin aber immer zu ungeduldig, ihre Antworten bis zum Ende abzuwarten und renne jedesmal schon weiter, bevor sie ausgeredet haben, sie wissen es eh alle nicht. Ja, und dann finde ich doch diese bekloppte Schule nicht. Da sind überall Schulen, und ich bin in der richtigen Straße, aber die Astrid-Lindgren-Schule kennt kein Schwein. Alles Scheißzugezogene. Und ich finde kein Tor und keine Turnhalle, wo ich rein könnte. Ich rüttle, ich renne, ich suche. Aber der Scheißschlumpf will mir einfach nicht preisgeben, wo er Astrid Lindgren versteckt hält. Um zwanzig nach sieben gebe ich auf. Ist jetzt eh viel zu spät, so kann man nicht zum Probetraining reinplatzen. Ich fahre also wieder zurück, den ganzen Scheißweg, diesmal nicht hektisch, sondern resigniert. Steige in Harburg eine Haltestelle vorher aus, mein Rad ist noch da, sogar abgeschlossen. Zum ersten Mal schaffe ich es, die Anhöhe bis zu unserem Haus voll durchzustrampeln. Ohne Gangschaltung.
Resümieren wir also: Weil ich 22 Minuten zu spät aufgehört habe zu arbeiten (sicher, diese Minuten waren nicht der einzige Grund, aber hätte ich sie gehabt, wäre vielleicht auch mein Kopf klarer gewesen für die Suche) bin ich insgesamt fast drei Stunden (als ich nach Hause komme, ist es kurz nach acht) ohne Ergebnis durch Hamburg gefahren und gerannt. Ich habe dabei Bewegung gehabt, die wollte ich. Meine größten Hindernisse waren die vielen Menschen um mich herum (gefühlt) und meine lückenhafte Ortskenntnis (real). In diesen drei Stunden hätte ich viele andere Dinge tun können: lesen, schreiben, essen, telefonieren, sogar ins Kino gehen, ich hätte einen ganzen Film sehen können! Oder endlich mal früh ins Bett gehen. Stattdessen habe ich bei null Effizienz und maximalem Aufwand zero Gewinn erzielt.
Ich bin ein ungeduldiger Mensch; passend zu meiner Generation der multitaskfähigen dauergestressten Niemalsraster möchte ich meine Zeit wenn möglich optimal nutzen. Leider schaffe ich das praktisch nie (ich weiß, es gibt jede Menge Seminare in Wort, Bild und Schrift zur Optimierung von Zeitmanagement). Manchmal ärgert mich das, ich sehe dann einfach meine Energie sinnlos im Raum verpuffen (und hier im Norden ist meine Energie seltsam gesteigert). Und doch: Eigentlich - im Geiste und im Herzen - bin ich auch Freund der Muße, der Zeit als Geschenk, das man nicht nutzt, sondern an dem man sich erfreut. Am besten kann ich nach diesem Prinzip der Muße leben, wenn ich weit weg von meiner Alltags- und Arbeitsumgebung, sprich auf Reisen bin. Also wundert Euch nicht, wenn ich weiter reise!
Außerdem: Dieses Hamburg ist einfach verdammt groß, das nervt. Und dieses Harburg ist nicht nur op de schääl Sick, sondern auch verdammt weit weg, ewig kann ich hier nicht wohnen, will gar nicht erst die vergeudete Zeit zusammenrechnen! Aber:
Hamburg ist so wunderschön und ich wohne paradiesisch!
Das wird das nächste Thema. Aber heute nicht mehr, Mitternacht naht und ich muss immer meine irre lange Einschlafphase einkalkuieren.
Dienstag, 11. März 2008
Muse und Pampel unterwegs nach Pamplona
Ohne Muse
darf der Pampel
nicht nach Pamplona.
Denn nach Pamplona
darf nur der Pampel
der von der Muse geküsst ist.
darf der Pampel
nicht nach Pamplona.
Denn nach Pamplona
darf nur der Pampel
der von der Muse geküsst ist.
Kinderkarate
Hier wird es nun schon wieder um Karate gehen. Aber ein bisschen geht es auch um Erziehung, Charakter und den guten Menschen. Ich will ja auch den Nichtkaratekas das Weiterlesen schmackhaft machen.
Gestern Abend war ich wieder bei einem Probetraining. Danach konnte ich aber nicht mehr schreiben, weil Karate für Kinder alles andere ist als Kinderkram. Wegen der Osterferien fällt das reguläre Training jetzt überall aus, aber der Trainer dort hatte mir am Telefon angeboten, bei diesem Sondertraining zur Wettkampfvorbereitung von ein paar Jugendlichen teilzunehmen, sofern ich einigermaßen fit sei. Klaro, bin ich, hab ich gedacht und bin flugs hingefahren, auf einem von Maggy ausgeliehenen Fahrrad, dessen Sattel ich ungefähr um 15 cm hätte erhöhen müssen, wozu ich aber keine Zeit hatte. War ganz schön anstrengend, das Fahren damit und sah ganz schön bescheuert aus.
Na, denn mal los: Die Gruppe besteht aus zwei Mädchen, einem Jungen, einer Frau und mir; ein junger Mann kommt später dazu, der hat schon nen Braungurt. Wir anderen bewegen uns zwischen orange und blau. Beim Aufwärmen schwant mir schon was: Seilspringen. Ich werde vorher gefragt, ob ich das könne und weiß gar nicht, was ich antworten soll. Muss man Seilspringen können? Das erfahren wir sogleich: Heike (meine erwachsene Mitstreiterin) und ich hüpfen "wie aufm Schulhof", "Güli, mach das mal vor!" Güli ist ein bildhübsches Blaugurtmädchen von etwa 12 oder 13 Jahren, das einfach alles kann: Seilspringen, Karate, nett sein und liebreizend lächeln. Güli, du bist klasse. Du verdienst nur die besten, klügsten und schönsten Männer (aber fang nicht zu früh damit an), und wenn dir mal einer blöd kommt, dann zeigst du dem einfach mit ein paar gezielten Karatetechniken, wo der Hammer hängt.
Ich muss den Hammer in diesen gut anderthalb Stunden immer wieder suchen, und ich gucke mich ganz schön um dabei: Hier wird praktisch Freikampf trainiert, und das hab ich eigentlich so gut wie noch nie gemacht. Nix mit Form, Stil und Tradition, zum An- und Abgrüßen wird sich nicht mal hingesetzt. Hier geht's ab, und zwar hallo! Die Kinder werden ganz schön getriezt, und mir wird auch klar gemacht, dass ich hier ja eigentlich nicht so richtig was verloren habe. Ich komme mir ziemlich alt vor, wie ich so hinter der Schnelligkeit, Dehnung und Ausdauer der Kleinen hinterherhechle. Zum Glück habe ich Heike, die ist bestimmt noch zehn Jahre älter und gottlob nicht fitter als ich. Ohne sie wäre ich vermutlich nach einer Viertelstunde heulend rausgelaufen. Nach dem Aufwärmen (ich bin schon völlig erledigt) krieg ich fix ein paar Faustschützer verpasst, "Du hass natürlich keine, was? Da hassu welche, da nimmsu die hiä un stecks zwei Finger da rein, zwei da rein, und dann geht das ab!" So krass hat der Trainer natürlich nicht genordet, aber in der Erinnerung bauschen wir ja gern die Dinge ein bisschen auf, und ich muss ihn ja auch gescheit typisieren.
Ich tue mein bestes, einmal semmel ich Heike allerdings voll die Faust in die linke Brust, entschuldige mich sofort erschrocken. "Macht nix", sagt sie lächelnd und klopft sich auf ihre beiden Dinger, "bin gepolstert". Und da wird mir klar, dass ihre erstaunlich akkurat stehenden Brüste (die unter meinem Schlag auch ziemlich hart waren) nur ihre Brustschoner sind. Mann, das is ja klasse, das muss ich mir auch besorgen!
Am Ende des Trainings (das ich ein wenig herbeigesehnt habe) wird den Kindern erst mal gesteckt, wie scheiße sie trainiert haben, und dass sich dafür die Fahrt zum Turnier ja kaum lohnt. Kinder, ich fand euch super! Die Kleinste, Asra, ist zehn, sieht aber mindestens zwei Jahre jünger aus. Sie fährt auch mit aufs Turnier am Wochenende, aber wo das ist und was sie da macht, weiß sie nicht so genau. Trotzdem ist sie sehr nett, ich glaube, das sind die meisten Karatekinder. Meine Kinder werden auf jeden Fall auch zum Karate geschickt (ich denke, Wolfgang wird einverstanden sein), vorausgesetzt, zwischen Musikunterricht, Kindertheater, den Pfadfindern, G8 und Chinesisch für Vorschulkinder bleibt noch Zeit dafür. Die ersten drei Fremdsprachen sollten ja schon bis zur Einschulung auf dem Gymnasium drin sein, darauf kann man dann aufbauen.
Auf dem Nachhauseweg bin ich so erschöpft, dass ich mein Fahrrad das letzte Wegesdrittel (es geht ein bisschen bergauf) schieben muss. In der Dusche fällt mir dann die flutschige Shampooflasche aus der schwächelnden Hand, natürlich mit dem spitzen Kopf voraus genau auf meinen Zeh. Ich schreie richtig böse, es tut richtig weh und es kommt richtig Blut. Den nächsten Tag bestreite ich humpelnd, und ich weiß jetzt: Kinderkarate ist nichts für Erwachsene, aber Karatekinder werden vielleicht mal gute Erwachsene.
Gestern Abend war ich wieder bei einem Probetraining. Danach konnte ich aber nicht mehr schreiben, weil Karate für Kinder alles andere ist als Kinderkram. Wegen der Osterferien fällt das reguläre Training jetzt überall aus, aber der Trainer dort hatte mir am Telefon angeboten, bei diesem Sondertraining zur Wettkampfvorbereitung von ein paar Jugendlichen teilzunehmen, sofern ich einigermaßen fit sei. Klaro, bin ich, hab ich gedacht und bin flugs hingefahren, auf einem von Maggy ausgeliehenen Fahrrad, dessen Sattel ich ungefähr um 15 cm hätte erhöhen müssen, wozu ich aber keine Zeit hatte. War ganz schön anstrengend, das Fahren damit und sah ganz schön bescheuert aus.
Na, denn mal los: Die Gruppe besteht aus zwei Mädchen, einem Jungen, einer Frau und mir; ein junger Mann kommt später dazu, der hat schon nen Braungurt. Wir anderen bewegen uns zwischen orange und blau. Beim Aufwärmen schwant mir schon was: Seilspringen. Ich werde vorher gefragt, ob ich das könne und weiß gar nicht, was ich antworten soll. Muss man Seilspringen können? Das erfahren wir sogleich: Heike (meine erwachsene Mitstreiterin) und ich hüpfen "wie aufm Schulhof", "Güli, mach das mal vor!" Güli ist ein bildhübsches Blaugurtmädchen von etwa 12 oder 13 Jahren, das einfach alles kann: Seilspringen, Karate, nett sein und liebreizend lächeln. Güli, du bist klasse. Du verdienst nur die besten, klügsten und schönsten Männer (aber fang nicht zu früh damit an), und wenn dir mal einer blöd kommt, dann zeigst du dem einfach mit ein paar gezielten Karatetechniken, wo der Hammer hängt.
Ich muss den Hammer in diesen gut anderthalb Stunden immer wieder suchen, und ich gucke mich ganz schön um dabei: Hier wird praktisch Freikampf trainiert, und das hab ich eigentlich so gut wie noch nie gemacht. Nix mit Form, Stil und Tradition, zum An- und Abgrüßen wird sich nicht mal hingesetzt. Hier geht's ab, und zwar hallo! Die Kinder werden ganz schön getriezt, und mir wird auch klar gemacht, dass ich hier ja eigentlich nicht so richtig was verloren habe. Ich komme mir ziemlich alt vor, wie ich so hinter der Schnelligkeit, Dehnung und Ausdauer der Kleinen hinterherhechle. Zum Glück habe ich Heike, die ist bestimmt noch zehn Jahre älter und gottlob nicht fitter als ich. Ohne sie wäre ich vermutlich nach einer Viertelstunde heulend rausgelaufen. Nach dem Aufwärmen (ich bin schon völlig erledigt) krieg ich fix ein paar Faustschützer verpasst, "Du hass natürlich keine, was? Da hassu welche, da nimmsu die hiä un stecks zwei Finger da rein, zwei da rein, und dann geht das ab!" So krass hat der Trainer natürlich nicht genordet, aber in der Erinnerung bauschen wir ja gern die Dinge ein bisschen auf, und ich muss ihn ja auch gescheit typisieren.
Ich tue mein bestes, einmal semmel ich Heike allerdings voll die Faust in die linke Brust, entschuldige mich sofort erschrocken. "Macht nix", sagt sie lächelnd und klopft sich auf ihre beiden Dinger, "bin gepolstert". Und da wird mir klar, dass ihre erstaunlich akkurat stehenden Brüste (die unter meinem Schlag auch ziemlich hart waren) nur ihre Brustschoner sind. Mann, das is ja klasse, das muss ich mir auch besorgen!
Am Ende des Trainings (das ich ein wenig herbeigesehnt habe) wird den Kindern erst mal gesteckt, wie scheiße sie trainiert haben, und dass sich dafür die Fahrt zum Turnier ja kaum lohnt. Kinder, ich fand euch super! Die Kleinste, Asra, ist zehn, sieht aber mindestens zwei Jahre jünger aus. Sie fährt auch mit aufs Turnier am Wochenende, aber wo das ist und was sie da macht, weiß sie nicht so genau. Trotzdem ist sie sehr nett, ich glaube, das sind die meisten Karatekinder. Meine Kinder werden auf jeden Fall auch zum Karate geschickt (ich denke, Wolfgang wird einverstanden sein), vorausgesetzt, zwischen Musikunterricht, Kindertheater, den Pfadfindern, G8 und Chinesisch für Vorschulkinder bleibt noch Zeit dafür. Die ersten drei Fremdsprachen sollten ja schon bis zur Einschulung auf dem Gymnasium drin sein, darauf kann man dann aufbauen.
Auf dem Nachhauseweg bin ich so erschöpft, dass ich mein Fahrrad das letzte Wegesdrittel (es geht ein bisschen bergauf) schieben muss. In der Dusche fällt mir dann die flutschige Shampooflasche aus der schwächelnden Hand, natürlich mit dem spitzen Kopf voraus genau auf meinen Zeh. Ich schreie richtig böse, es tut richtig weh und es kommt richtig Blut. Den nächsten Tag bestreite ich humpelnd, und ich weiß jetzt: Kinderkarate ist nichts für Erwachsene, aber Karatekinder werden vielleicht mal gute Erwachsene.
Sonntag, 9. März 2008
Der, die, das deutsche Pony oder Vorne was haben
Mein erstes nordisches Wochenende, mit Wolle und Sightseeing und Annäherung an die Hamburger Stadtkultur, herrlich. Abends bin ich dann noch mit Geli und Christine ausgegangen, meinen beiden Schulfreundinnen. Is ja nicht so, dass ich als Kosmopolitin hier noch keinen kennte (ja, das ist der Konj. II von kennen).
Nachtleben in Hamburg also. Sehr angenehm, wie ich finde; man bewegt sich irgendwo zwischen Trendsetting und Entspannung. Wir Mädels sind uns darüber einig, dass es eine gefühlte Verbindung zwischen Köln und Hamburg gibt, eine Art unsichtbare Rheinelbbrücke.
Was mir dann in dem Club, in dem wir am Ende landen, um das Tanzbein zu schwingen, auffällt, ist die Allgegenwart des Ponys. Da sind wir auch schon bei meiner Unsicherheit, die ich vorher loswerden muss: Es gibt das deutsche Reitpony, davon wollte ich zwischen 11 und 15 immer eins haben, gab aber nie eins. Ein Pony, zwei Ponys. Oder Ponies eigentlich, wenn wir uns an die Regeln der Gebersprache halten. Dann also das Pony, des Ponys oder des Ponies? Ich deutsche hier lieber ein, vor allem weil es mir ja nicht um Tiere geht, sondern um Haar, Fronthaar, um genauer zu sein. Und ob das nun ein deutsches oder doch international verbreitetes Phänomen ist, habe ich bei meinen gestrigen Beobachtungen nicht feststellen können. Ich vermute das Ponyepizentrum im mittelnördlichen Europa. Denn gucken wir uns doch mal um (das habe ich gestern Abend verstärkt getan, weil's nicht so mein Sound war und so meine Augen geschwinder wanderten als meine Beine) und seien wir ehrlich: Mit nackter Stirn kann man sich doch heute gar nicht mehr sehen lassen. Nein, vorne was haben gehört inzwischen zum guten Styling. War ich froh, dass ich vor einigen Wochen meinem Friseur mehr aus einer Laune heraus gesagt hatte, er dürfe mir ruhig mal einen Pony (ist ja eben der, nicht das Pony, für die fällt mir keine Verwendung ein) schneiden. Was wäre das anderenfalls gestern für ein peinlicher Abend geworden! Die Chance auf gesellschaftliche Anerkennung im Norden wäre dahin gewesen. Ich sah mich zuerst bei uns dreien um: Alle was auf der Stirn. Die Mädels nebenan: Frontkleid. Die Zwanzigjährigen, die Dreißigjährigen: Alle mit Pony. Aber es kommt ja noch arger, denn der Trend hat sich auch bei den Herren durchgesetzt, und zwar, für den besonders Modebewussten, als Rundumtopfschnitt. Der dunkelhaarige DJ: akkurat geschnittener Topf mit sehr kurzem Pony, dazu eine zugegeben furchtbare Achtzigerjahreschimanskibrille. Der Blonde auf der Tanzfläche neben mir: Es wellt sich über seine Stirn. H
ier ist der Topf etwas tiefer gewesen, das Haar ist insgesamt länger. Wohin man auch schaut, vorne ohne läuft gar nichts mehr.
Ich habe ein Foto von meiner Mutter aus den späten Siebzigern, das sie mit langem Haar und Pony zeigt. Sie hat auch mir immer den Pony geschnitten, ich hatte etwa bis zum zehnten Lebensjahr die gleiche Frisur wie sie. In den Neunzigern aber, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, vereinte sich der Pony mit dem Haupthaar, so wie sich die beiden Deutschlande miteinander vereinten. Ich erinnere mich an eine praktisch ponylose Pubertät.
Und irgendwann um die Jahrtausendwende muss er zurück auf deutsche Stirnen gekehrt sein, der Pony. Aber wann war es eigentlich genau, und geschah es wirklich nur in Deutschland? Ich weiß es nicht, weiß nur, dass ich auf den fahrenden Zug recht spät aufgesprungen bin und dass es sich um ein generationenübergreifendes Phänomen handelt; auch meine Mutter und ihre Freundinnen tragen heute wieder Pony. Ist das nun eine neue Form der Prüderie, eine Abkehr vom Stirn-FKK? Was sieht überhaupt besser aus? Ist es mit dem Pony wie mit Dessous, steigert die teilweise Bedeckung den Reiz des Bedeckten? Hier bietet sich explosiver Diskussionsstoff, möchte ich meinen.
Eins soll aber nicht unbemerkt bleiben: Der Pony ist seitwärts gewandert. War er in den Achtzigern noch rein bündig zu einer gedachten horizontalen Linie über den Augenbrauen, darf er heute gern, keck zur Seite geföhnt oder gar schräg geschnitten, ein kleines zartes Stück an der Seite der Stirn entblößt zeigen. Das ist wohl unsere Konzession an das Fortschreiten der Zeit.
Nachtleben in Hamburg also. Sehr angenehm, wie ich finde; man bewegt sich irgendwo zwischen Trendsetting und Entspannung. Wir Mädels sind uns darüber einig, dass es eine gefühlte Verbindung zwischen Köln und Hamburg gibt, eine Art unsichtbare Rheinelbbrücke.
Was mir dann in dem Club, in dem wir am Ende landen, um das Tanzbein zu schwingen, auffällt, ist die Allgegenwart des Ponys. Da sind wir auch schon bei meiner Unsicherheit, die ich vorher loswerden muss: Es gibt das deutsche Reitpony, davon wollte ich zwischen 11 und 15 immer eins haben, gab aber nie eins. Ein Pony, zwei Ponys. Oder Ponies eigentlich, wenn wir uns an die Regeln der Gebersprache halten. Dann also das Pony, des Ponys oder des Ponies? Ich deutsche hier lieber ein, vor allem weil es mir ja nicht um Tiere geht, sondern um Haar, Fronthaar, um genauer zu sein. Und ob das nun ein deutsches oder doch international verbreitetes Phänomen ist, habe ich bei meinen gestrigen Beobachtungen nicht feststellen können. Ich vermute das Ponyepizentrum im mittelnördlichen Europa. Denn gucken wir uns doch mal um (das habe ich gestern Abend verstärkt getan, weil's nicht so mein Sound war und so meine Augen geschwinder wanderten als meine Beine) und seien wir ehrlich: Mit nackter Stirn kann man sich doch heute gar nicht mehr sehen lassen. Nein, vorne was haben gehört inzwischen zum guten Styling. War ich froh, dass ich vor einigen Wochen meinem Friseur mehr aus einer Laune heraus gesagt hatte, er dürfe mir ruhig mal einen Pony (ist ja eben der, nicht das Pony, für die fällt mir keine Verwendung ein) schneiden. Was wäre das anderenfalls gestern für ein peinlicher Abend geworden! Die Chance auf gesellschaftliche Anerkennung im Norden wäre dahin gewesen. Ich sah mich zuerst bei uns dreien um: Alle was auf der Stirn. Die Mädels nebenan: Frontkleid. Die Zwanzigjährigen, die Dreißigjährigen: Alle mit Pony. Aber es kommt ja noch arger, denn der Trend hat sich auch bei den Herren durchgesetzt, und zwar, für den besonders Modebewussten, als Rundumtopfschnitt. Der dunkelhaarige DJ: akkurat geschnittener Topf mit sehr kurzem Pony, dazu eine zugegeben furchtbare Achtzigerjahreschimanskibrille. Der Blonde auf der Tanzfläche neben mir: Es wellt sich über seine Stirn. H
Ich habe ein Foto von meiner Mutter aus den späten Siebzigern, das sie mit langem Haar und Pony zeigt. Sie hat auch mir immer den Pony geschnitten, ich hatte etwa bis zum zehnten Lebensjahr die gleiche Frisur wie sie. In den Neunzigern aber, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, vereinte sich der Pony mit dem Haupthaar, so wie sich die beiden Deutschlande miteinander vereinten. Ich erinnere mich an eine praktisch ponylose Pubertät.
Und irgendwann um die Jahrtausendwende muss er zurück auf deutsche Stirnen gekehrt sein, der Pony. Aber wann war es eigentlich genau, und geschah es wirklich nur in Deutschland? Ich weiß es nicht, weiß nur, dass ich auf den fahrenden Zug recht spät aufgesprungen bin und dass es sich um ein generationenübergreifendes Phänomen handelt; auch meine Mutter und ihre Freundinnen tragen heute wieder Pony. Ist das nun eine neue Form der Prüderie, eine Abkehr vom Stirn-FKK? Was sieht überhaupt besser aus? Ist es mit dem Pony wie mit Dessous, steigert die teilweise Bedeckung den Reiz des Bedeckten? Hier bietet sich explosiver Diskussionsstoff, möchte ich meinen.
Eins soll aber nicht unbemerkt bleiben: Der Pony ist seitwärts gewandert. War er in den Achtzigern noch rein bündig zu einer gedachten horizontalen Linie über den Augenbrauen, darf er heute gern, keck zur Seite geföhnt oder gar schräg geschnitten, ein kleines zartes Stück an der Seite der Stirn entblößt zeigen. Das ist wohl unsere Konzession an das Fortschreiten der Zeit.
Dienstag, 4. März 2008
Schlafmangel
Heute habe ich mit dem Karriereding angefangen. Leider in eher miserabler körperlicher Verfassung; habe die zweite Nacht in Folge kaum geschlafen und war deshalb auch zu kraftlos, um mir die Haare zu waschen. Ich hoffe, es ist nicht zu sehr aufgefallen. Morgen sehe ich wieder ordentlich aus. Ich weiß nicht woran es liegt, dass ich hier so schlaflos bin. Ich hoffe, nicht am Bett, das kann ich ja nicht mal eben auswechseln. Wahrscheinlich sind es die vielen Gedanken, die mit unter die Decke kriechen. Aber noch so eine Nacht will ich nicht.
Ich war also verdammt müde den ganzen Tag, und dann all das Neue, das auf mich einprasselte. Allein die ganzen Herren und Frauen, deren Namen und Aufgaben ich mir irgendwann merken muss. Aber man behandelt mich wirklich sehr freundlich und lässt mir Zeit. Gott sei Dank kann ich schon um vier Uhr gehen. Eine meiner ersten Aufgaben wird der Grenzkonflikt zwischen Ecuador und Kolumbien. Und Chávez, der Kaschper, mischt sich natürlich wieder kräftig ein. Von seinem öffentlichen Auftreten her erinnert der mich an einen Muppet.
Als ich endlich zu Hause ankomme, bekomme ich einen kleinen Schrecken: Überall um meinen kleinen alten Corolla herum ist der Boden aufgekloppt, und direkt an seinem Kotflügel steht ein Absolutes-Halteverbot-Schild. Oh nein, nicht auch hier schon ein Knöllchen, in dieser absoluten Wohnstraße! Der Corolla ist ganz verunsichert und winselt klagend, als er mich kommen sieht. Und wieder fängt es an zu schneien, der Schnee wird zu Graupel. Halte aus, Corolla, ich komme sofort! rufe ich ihm zu. Mist, ich hatte die Bauarbeiter heute morgen vom Fenster aus gesehen, aber ich war im Nachthemd, da wollte ich nicht so zu ihnen runterrufen.
Schnell schmeiße ich meine Sachen ins Haus und eile zurück zum Corolla, durch den aufkommenden Schneesturm. Freudig begrüßt er mich, und gemeinsam umsteuern wir die raue See von Straßenlöchern und erreichen sicher das erlaubte Ufer. Es ist kein Knöllchen an der Scheibe, vielleicht waren die Hamburger Knöllchenschreiber mir ja gnädig oder das Papier alle.
Ich habe heute Nacht sturmfrei, Maggy und der Hund schlafen aushäusig. Ich mache erst mal superlaut Musik an, lade alle Nachbarn ein, wir essen und schmeißen ganz viel Popcorn und tanzen auf dem Sofa Kasatchok. Als alle sich ausgetobt haben, löst sich die lustige Gesellschaft schnell auf und ich bin jetzt auch total ausgepowert. Höre zur Entspannung noch das Hörspiel auf Deutschlandradio Kultur und gehe gleich ins Bett. Hoffentlich zum Schlafen.
Ich war also verdammt müde den ganzen Tag, und dann all das Neue, das auf mich einprasselte. Allein die ganzen Herren und Frauen, deren Namen und Aufgaben ich mir irgendwann merken muss. Aber man behandelt mich wirklich sehr freundlich und lässt mir Zeit. Gott sei Dank kann ich schon um vier Uhr gehen. Eine meiner ersten Aufgaben wird der Grenzkonflikt zwischen Ecuador und Kolumbien. Und Chávez, der Kaschper, mischt sich natürlich wieder kräftig ein. Von seinem öffentlichen Auftreten her erinnert der mich an einen Muppet.
Als ich endlich zu Hause ankomme, bekomme ich einen kleinen Schrecken: Überall um meinen kleinen alten Corolla herum ist der Boden aufgekloppt, und direkt an seinem Kotflügel steht ein Absolutes-Halteverbot-Schild. Oh nein, nicht auch hier schon ein Knöllchen, in dieser absoluten Wohnstraße! Der Corolla ist ganz verunsichert und winselt klagend, als er mich kommen sieht. Und wieder fängt es an zu schneien, der Schnee wird zu Graupel. Halte aus, Corolla, ich komme sofort! rufe ich ihm zu. Mist, ich hatte die Bauarbeiter heute morgen vom Fenster aus gesehen, aber ich war im Nachthemd, da wollte ich nicht so zu ihnen runterrufen.
Schnell schmeiße ich meine Sachen ins Haus und eile zurück zum Corolla, durch den aufkommenden Schneesturm. Freudig begrüßt er mich, und gemeinsam umsteuern wir die raue See von Straßenlöchern und erreichen sicher das erlaubte Ufer. Es ist kein Knöllchen an der Scheibe, vielleicht waren die Hamburger Knöllchenschreiber mir ja gnädig oder das Papier alle.
Ich habe heute Nacht sturmfrei, Maggy und der Hund schlafen aushäusig. Ich mache erst mal superlaut Musik an, lade alle Nachbarn ein, wir essen und schmeißen ganz viel Popcorn und tanzen auf dem Sofa Kasatchok. Als alle sich ausgetobt haben, löst sich die lustige Gesellschaft schnell auf und ich bin jetzt auch total ausgepowert. Höre zur Entspannung noch das Hörspiel auf Deutschlandradio Kultur und gehe gleich ins Bett. Hoffentlich zum Schlafen.
Montag, 3. März 2008
Von Karate und Heimweh
Mein erster Tag in Hamburg geht zu Ende, und er war ziemlich schnell vorbei und ziemlich erfüllt. Für diesen Eintrag möchte ich mich auf die Themen Karate und Heimweh beschränken. Der Teil über Karate ist länger und kommt zuerst, daran Uninteresssierte bitte direkt zum Schlussteil springen. Weitere wichtige Themen werden in folgenden Einträgen (Postings heißt das hier) behandelt, pazienza.
Ich bin also heute direkt zum Karatetraining gegangen, will ja noch ein paar Angebote ausprobieren, außerdem bin ich quasi süchtig nach Karate, also nix wie hin nach Altona, nach nicht allzu vielversprechender Internetrecherche (Ihr habt's gemerkt, das zweite nach war zeitlich). Nehme fast eine Stunde Fahrt dafür auf mich, aber darauf werde ich mich hier wohl generell einstellen müssen, ich wohn ja op de schääl Sick, in Harburg. Und teurer ist es hier auch, das Karate. Überall. Da werden Wille und Elan schon vorab auf die Probe gestellt.
Da bin ich nun also mit meinem gerade erworbenen Orangegurt, ein bisschen aufgeregt. Ich muss meinem Verein Ehre machen, also nur das Beste geben! Die Ehre stirbt zuletzt! Es fängt schon recht anstrengend an, der Typ ist ein ziemlicher Traditionalist, schon beim Aufwärmen wird ordentlich gelitten. Blöd finde ich, dass er ziemlich viele Witze macht, die ich nicht lustig finde. Aber was drauf hat er wohl schon. Er nimmt mich gleich ins Visier, korrigiert ein paar Mal. Der Boden ist die Hölle, so dünne Gummimatten, auf denen meine Füße bei ordentlichem Schleifkontakt ein paarmal Feuer fangen. Ich bin in kürzester Zeit schweißgebadet und unten angekokelt.
Kihon, Tritte. einzeln und in Kombination. Ich stehe fast genau in der Mitte der Halle, deshalb ende ich immer genau vor dem Turnkasten, der da steht und den ein Porträt von dem Oberkarateguru ziert, der Super-Japano-Mufti, hab ihm bisher nicht gehuldigt und weiß peinlicherweise seinen Namen nicht. Und am Ende einer Bahn denke ich, ach, warum nicht mal einen Tritt richtig ans Ziel treten, wenn sich da schon so ein Ziel bietet. Und semmle in den Kasten. Sakrileg! Ich habe vor den Altar getreten und bekomme das auch gleich zu hören. Ups.
Am Ende noch mal kurz Konditionstraining, dann schwer atmend zum Abgrüßen. Und da wird mir erst richtig anders: Da werden erst mal ordentlich auf japanisch die fünf Maximen des Karate (vielleicht sind es auch mehr und vielleicht heißen sie nicht Maximen, ich denke an die fünf Säulen des Koran) vor- und nachgebetet, alles superzeremoniell. Ich sach nix, wat solltse da auch sagen. In meiner Linguistenseele bin ich leicht verletzt, weil die anderen alle so fließend Japanisch können und ich nicht. Kann mir das vielleicht mal jemand schicken, dieses Schlussgebet, möglichst in lautschriftlich wiedergegebenem Japanisch? Vielleicht gehört das ja hier im Norden zum guten Ton. Vielleicht können auch einfach alle Hamburger fließend Japanisch. Schad' ja nix.
In der Damenumkleide dreht sich das einzige Gespräch darum - und zwar während einer Dauer von etwa zehn Minuten - welcher Bus nun gern genommen wird. Naja. Ich guck mal, ob ich eine von euch werde. Erst mal noch n bisschen weiterschuppern.
So, jetzt kommt der Themenwechsel!
Auf dem Rückweg erreicht mich eine sms von Horst aus dem Kuen, sie vermissen mich. Und schwupp, schon hab ich das erste Pipi in den Augen. Es schneit ein bisschen. Erschöpft zu Hause angekommen, rufe ich erst mal Wolli an. Wir erzählen uns unseren Tag, so wie immer. Ich bin zu faul, das Videodings anzumachen und so telefonieren wir ganz klassisch. Währenddessen mache ich mir mein Brot zurecht. Wolfgang war heute auch beim Training, in unserem Verein! Und wie da der ganze innere Zuhause-Film bei mir abläuft, werde ich dann doch traurig, obwohl ich Hamburg bis jetzt total schön fand. Im Gespräch komme ich mit fünf bis sechs Tränchen aus. Dann esse ich mein Brot, und es dröppelt auf den Teller. Plopp, plopp. Das ist wohl das Gefühl, das sich eigentlich selten bei mir blicken lässt: Heimweh. Ich habe ein Heim, und das ist am Rhein und hat einen Dom. Auch wenn ich dort nur anderthalb Jahre gewohnt habe, ist es mir das heimeligste Heim von allen bisherigen geworden. Ich gebe mir dennoch Mühe, schnell mit dem Weinen aufzuhören, wenn Maggy (meine sehr nette Mitbewohnerin oder eigentlich Obermieterin) mich so sieht! Ich finde es doch so schön hier! Aber so ist das wohl, das Herz schlägt irgendwo Wurzeln. Und die sitzen tief. Was nicht heißt, dass man es nicht mehr umpflanzen könnte. Aber ein paar kleine Wurzelästchen reißen dabei immer ab und bleiben zurück in der alten Erde. Oh je, ich fange schon wieder an zu gießen.
Ich bin also heute direkt zum Karatetraining gegangen, will ja noch ein paar Angebote ausprobieren, außerdem bin ich quasi süchtig nach Karate, also nix wie hin nach Altona, nach nicht allzu vielversprechender Internetrecherche (Ihr habt's gemerkt, das zweite nach war zeitlich). Nehme fast eine Stunde Fahrt dafür auf mich, aber darauf werde ich mich hier wohl generell einstellen müssen, ich wohn ja op de schääl Sick, in Harburg. Und teurer ist es hier auch, das Karate. Überall. Da werden Wille und Elan schon vorab auf die Probe gestellt.
Da bin ich nun also mit meinem gerade erworbenen Orangegurt, ein bisschen aufgeregt. Ich muss meinem Verein Ehre machen, also nur das Beste geben! Die Ehre stirbt zuletzt! Es fängt schon recht anstrengend an, der Typ ist ein ziemlicher Traditionalist, schon beim Aufwärmen wird ordentlich gelitten. Blöd finde ich, dass er ziemlich viele Witze macht, die ich nicht lustig finde. Aber was drauf hat er wohl schon. Er nimmt mich gleich ins Visier, korrigiert ein paar Mal. Der Boden ist die Hölle, so dünne Gummimatten, auf denen meine Füße bei ordentlichem Schleifkontakt ein paarmal Feuer fangen. Ich bin in kürzester Zeit schweißgebadet und unten angekokelt.
Kihon, Tritte. einzeln und in Kombination. Ich stehe fast genau in der Mitte der Halle, deshalb ende ich immer genau vor dem Turnkasten, der da steht und den ein Porträt von dem Oberkarateguru ziert, der Super-Japano-Mufti, hab ihm bisher nicht gehuldigt und weiß peinlicherweise seinen Namen nicht. Und am Ende einer Bahn denke ich, ach, warum nicht mal einen Tritt richtig ans Ziel treten, wenn sich da schon so ein Ziel bietet. Und semmle in den Kasten. Sakrileg! Ich habe vor den Altar getreten und bekomme das auch gleich zu hören. Ups.
Am Ende noch mal kurz Konditionstraining, dann schwer atmend zum Abgrüßen. Und da wird mir erst richtig anders: Da werden erst mal ordentlich auf japanisch die fünf Maximen des Karate (vielleicht sind es auch mehr und vielleicht heißen sie nicht Maximen, ich denke an die fünf Säulen des Koran) vor- und nachgebetet, alles superzeremoniell. Ich sach nix, wat solltse da auch sagen. In meiner Linguistenseele bin ich leicht verletzt, weil die anderen alle so fließend Japanisch können und ich nicht. Kann mir das vielleicht mal jemand schicken, dieses Schlussgebet, möglichst in lautschriftlich wiedergegebenem Japanisch? Vielleicht gehört das ja hier im Norden zum guten Ton. Vielleicht können auch einfach alle Hamburger fließend Japanisch. Schad' ja nix.
In der Damenumkleide dreht sich das einzige Gespräch darum - und zwar während einer Dauer von etwa zehn Minuten - welcher Bus nun gern genommen wird. Naja. Ich guck mal, ob ich eine von euch werde. Erst mal noch n bisschen weiterschuppern.
So, jetzt kommt der Themenwechsel!
Auf dem Rückweg erreicht mich eine sms von Horst aus dem Kuen, sie vermissen mich. Und schwupp, schon hab ich das erste Pipi in den Augen. Es schneit ein bisschen. Erschöpft zu Hause angekommen, rufe ich erst mal Wolli an. Wir erzählen uns unseren Tag, so wie immer. Ich bin zu faul, das Videodings anzumachen und so telefonieren wir ganz klassisch. Währenddessen mache ich mir mein Brot zurecht. Wolfgang war heute auch beim Training, in unserem Verein! Und wie da der ganze innere Zuhause-Film bei mir abläuft, werde ich dann doch traurig, obwohl ich Hamburg bis jetzt total schön fand. Im Gespräch komme ich mit fünf bis sechs Tränchen aus. Dann esse ich mein Brot, und es dröppelt auf den Teller. Plopp, plopp. Das ist wohl das Gefühl, das sich eigentlich selten bei mir blicken lässt: Heimweh. Ich habe ein Heim, und das ist am Rhein und hat einen Dom. Auch wenn ich dort nur anderthalb Jahre gewohnt habe, ist es mir das heimeligste Heim von allen bisherigen geworden. Ich gebe mir dennoch Mühe, schnell mit dem Weinen aufzuhören, wenn Maggy (meine sehr nette Mitbewohnerin oder eigentlich Obermieterin) mich so sieht! Ich finde es doch so schön hier! Aber so ist das wohl, das Herz schlägt irgendwo Wurzeln. Und die sitzen tief. Was nicht heißt, dass man es nicht mehr umpflanzen könnte. Aber ein paar kleine Wurzelästchen reißen dabei immer ab und bleiben zurück in der alten Erde. Oh je, ich fange schon wieder an zu gießen.
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