Montag, 3. März 2008

Von Karate und Heimweh

Mein erster Tag in Hamburg geht zu Ende, und er war ziemlich schnell vorbei und ziemlich erfüllt. Für diesen Eintrag möchte ich mich auf die Themen Karate und Heimweh beschränken. Der Teil über Karate ist länger und kommt zuerst, daran Uninteresssierte bitte direkt zum Schlussteil springen. Weitere wichtige Themen werden in folgenden Einträgen (Postings heißt das hier) behandelt, pazienza.
Ich bin also heute direkt zum Karatetraining gegangen, will ja noch ein paar Angebote ausprobieren, außerdem bin ich quasi süchtig nach Karate, also nix wie hin nach Altona, nach nicht allzu vielversprechender Internetrecherche (Ihr habt's gemerkt, das zweite nach war zeitlich). Nehme fast eine Stunde Fahrt dafür auf mich, aber darauf werde ich mich hier wohl generell einstellen müssen, ich wohn ja op de schääl Sick, in Harburg. Und teurer ist es hier auch, das Karate. Überall. Da werden Wille und Elan schon vorab auf die Probe gestellt.
Da bin ich nun also mit meinem gerade erworbenen Orangegurt, ein bisschen aufgeregt. Ich muss meinem Verein Ehre machen, also nur das Beste geben! Die Ehre stirbt zuletzt! Es fängt schon recht anstrengend an, der Typ ist ein ziemlicher Traditionalist, schon beim Aufwärmen wird ordentlich gelitten. Blöd finde ich, dass er ziemlich viele Witze macht, die ich nicht lustig finde. Aber was drauf hat er wohl schon. Er nimmt mich gleich ins Visier, korrigiert ein paar Mal. Der Boden ist die Hölle, so dünne Gummimatten, auf denen meine Füße bei ordentlichem Schleifkontakt ein paarmal Feuer fangen. Ich bin in kürzester Zeit schweißgebadet und unten angekokelt.
Kihon, Tritte. einzeln und in Kombination. Ich stehe fast genau in der Mitte der Halle, deshalb ende ich immer genau vor dem Turnkasten, der da steht und den ein Porträt von dem Oberkarateguru ziert, der Super-Japano-Mufti, hab ihm bisher nicht gehuldigt und weiß peinlicherweise seinen Namen nicht. Und am Ende einer Bahn denke ich, ach, warum nicht mal einen Tritt richtig ans Ziel treten, wenn sich da schon so ein Ziel bietet. Und semmle in den Kasten. Sakrileg! Ich habe vor den Altar getreten und bekomme das auch gleich zu hören. Ups.
Am Ende noch mal kurz Konditionstraining, dann schwer atmend zum Abgrüßen. Und da wird mir erst richtig anders: Da werden erst mal ordentlich auf japanisch die fünf Maximen des Karate (vielleicht sind es auch mehr und vielleicht heißen sie nicht Maximen, ich denke an die fünf Säulen des Koran) vor- und nachgebetet, alles superzeremoniell. Ich sach nix, wat solltse da auch sagen. In meiner Linguistenseele bin ich leicht verletzt, weil die anderen alle so fließend Japanisch können und ich nicht. Kann mir das vielleicht mal jemand schicken, dieses Schlussgebet, möglichst in lautschriftlich wiedergegebenem Japanisch? Vielleicht gehört das ja hier im Norden zum guten Ton. Vielleicht können auch einfach alle Hamburger fließend Japanisch. Schad' ja nix.
In der Damenumkleide dreht sich das einzige Gespräch darum - und zwar während einer Dauer von etwa zehn Minuten - welcher Bus nun gern genommen wird. Naja. Ich guck mal, ob ich eine von euch werde. Erst mal noch n bisschen weiterschuppern.
So, jetzt kommt der Themenwechsel!
Auf dem Rückweg erreicht mich eine sms von Horst aus dem Kuen, sie vermissen mich. Und schwupp, schon hab ich das erste Pipi in den Augen. Es schneit ein bisschen. Erschöpft zu Hause angekommen, rufe ich erst mal Wolli an. Wir erzählen uns unseren Tag, so wie immer. Ich bin zu faul, das Videodings anzumachen und so telefonieren wir ganz klassisch. Währenddessen mache ich mir mein Brot zurecht. Wolfgang war heute auch beim Training, in unserem Verein! Und wie da der ganze innere Zuhause-Film bei mir abläuft, werde ich dann doch traurig, obwohl ich Hamburg bis jetzt total schön fand. Im Gespräch komme ich mit fünf bis sechs Tränchen aus. Dann esse ich mein Brot, und es dröppelt auf den Teller. Plopp, plopp. Das ist wohl das Gefühl, das sich eigentlich selten bei mir blicken lässt: Heimweh. Ich habe ein Heim, und das ist am Rhein und hat einen Dom. Auch wenn ich dort nur anderthalb Jahre gewohnt habe, ist es mir das heimeligste Heim von allen bisherigen geworden. Ich gebe mir dennoch Mühe, schnell mit dem Weinen aufzuhören, wenn Maggy (meine sehr nette Mitbewohnerin oder eigentlich Obermieterin) mich so sieht! Ich finde es doch so schön hier! Aber so ist das wohl, das Herz schlägt irgendwo Wurzeln. Und die sitzen tief. Was nicht heißt, dass man es nicht mehr umpflanzen könnte. Aber ein paar kleine Wurzelästchen reißen dabei immer ab und bleiben zurück in der alten Erde. Oh je, ich fange schon wieder an zu gießen.

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