...da lass dich ruhig nieder. Zum Beispiel in einem kleinen Haus im Süden Hamburgs. Zu dieser besonderen Art von Gesprächen später; sie sind Teil meiner kleinen privaten Ode an Hamburg, die ich schon jetzt, vielleicht etwas verfrüht, verfassen kann und möchte. Denn die Tage ziehen ins Land, und vor dem Trinken um den Verstand blogge ich doch besser weiter! Was für ein Riesenzeitintervall zum letzten Eintrag entstanden ist, furchtbar! Nun denn, niemand soll länger im Geiste darben:
Diese Stadt ist noch viel schöner, als ich erwartet hatte. Gut, die Bahnfahrten zu Stoßzeiten sind hart, vor allem spätabends, wenn schon die temporäre Bevölkerung des Harburger Bahnhofs von nichts Gutem kündet. Harburg, rette Deine Jugend! Nimm ihr Haargel, Handy und auf der Kopfspitze getragene Schirmmützen weg und lass sie sich nur noch unter Lindenalleen zur literarischen tertulia treffen. Dann wird insgesamt alles gut.
Aber die Fahrt dann über die Süderelbe, die noch wie im Winterschlaf daliegt mit kleinen, verlassenen Booten und stillen Wiesen, vorbei an Elbkanalinseln und Frachthafen, wo sich erst die Lastkräne und dann Hamburgs Kirchen gegen den Himmel abzeichnen, ich kenne die großen schon fast alle, den Michel, St. Nikolai, St. Petri, St. Jacobi, die Katharinenkirche - die soll jetzt wieder Hauptkirche der Speicherstadtgemeinde werden. Und überhaupt die Speicherstadt! Da bin ich schon ausgiebig spazieren gegangen und war im afghanischen Museum an einem Montag, da haben alle anderen Museen zu. Nach fünf Minuten war ich der einzige Besucher, es ist ein privates Museum, das natürlich ein Afghane aufgebaut hat. Ein sehr alter Mann ist dort Kassenwart und erinnert mich freundlich daran, dass ich erst mal eine Tasse Tee trinken darf. Eine Burka hängt dort zum Probeanziehen, habe ich auch gemacht. Die Sicht ist schon eingeschränkt unter dem Gitter. Und ich hatte natürlich wenige Wochen zuvor Der Drachenläufer gesehen. Da kann man nur denken, auf nach Afghanistan, aber bitte zeitmaschinell vor die Taliban und die Russen gebeamt, ich will einfach die wilden Reiter sehen, unter den Buddhas wandeln und abends mit den linken Intellektuellen feiern.
Das ganze Hafenviertel macht die Stadt für mich zu einem wahren Königspflaster, ich gehe von den Landungsbrücken zur Speicherstadt, scharfer Wind in meinen Haaren, vorbei an den Museumsschiffen, und ich spüre die Auswanderernostalgie und den Stolz der Hansehändler unter meinen Füßen pochen. Dazu dieses diffuse Gefühl von Freiheit und Fernweh, das das offene Wasser weckt. Gut, ich bin auch ganz schön nostalgisch veranlagt. Aber tatsächlich bin ich eher ein Wasser- als ein Bergtyp, wenn wir zwischen diesen beiden Neigungen eine Einteilung machen. Hamburg jedenfalls will ich ganz und gar in mir aufnehmen und freue mich auf jede Gelegenheit dazu und alles, was es noch zu entdecken gibt.
Und nach jedem langen Tag freue ich mich auf die Heimkehr in meine kleine Stadtrandidylle. Auf Gialla, den humpelnden Hund, der immer brav anschlägt, wenn jemand kommt. Auf das hübsche kleine Häuschen mit den knarzenden Dielen, den schiefen Holztüren und dem verschlafenen Garten. Und auf Maggy, die wie ich gern mit Tieren und Dingen redet. "Hab ich dir eigentlich schon Tamara vorgestellt", fragte sie mich zum Beispiel neulich, wobei sie Támara sagte, como la Casa de Trastámara, "unsere freundliche Gartenhilfe". Und dabei ging sie zu dem metallenen Mädchen mit dem lächelnden Gesicht, das im Garten steht und in einem kleinen Eimer vor dem Bauch die Schaufeln und Harken hält. "Aber Tamara is n bisschen behindert, die hat nur ein Bein", und dabei wackelte sie an Tamara, um mir zu zeigen, wie sie umfällt. "So, komm Tamara, jetzt steh mal wieder!". Und zu Gialla sagte sie, nachdem wir über den nötigen Hausputz und andere anstehende Aktivitäten gesprochen hatten: "So Gialli, dann wolln wer ma ein' auf hübsch machen!"
Ich finde das wunderbar. Ich bin ja sehr dafür, mit allem zu reden, ob es nun wirkliche Gesprächspartner (aber was ist schon wirklich), die Dinge in unserer Umgebung, Tiere oder wir selbst sind. Mit unserer Katze führe ich zum Beispiel ganz normale Gespräche. Ich bin absolut gegen Baby- und Tiersprech, jedes Ding und jedes Wesen verdient vernünftig angesprochen zu werden. Zu den dunklen Socken, die sich in die helle Wäsche geschlichen haben, sage ich dann auch ganz sachlich: "Ihr doch nicht". Zu mir selbst sage ich, wenn ich mich mal wieder irgendwo verfahren habe und den richtigen Weg doch eigentlich hätte wissen müssen, "Es kann - nicht - wahr sein. Wie kann man so doof sein?!". Und zu Hamburg sage ich, wenn ich an seiner Elbpromenade entlanglaufe und mich fühle wie ein junger Reedergott, "herrlich".
Samstag, 22. März 2008
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